Neue Platten: S. Carey – „Hoyas“

Cover der EP „Hoyas“ von S. Carey (Jagjaguwar)

S. Carey – „Hoyas“ (Jagjaguwar)

7,0

S. Carey ist eigentlich ein sehr interessanter Zeitgenosse. Mal abgesehen davon, dass er für sein Künstlerpseudonym eine dem englischen Adjektiv „scary“ nahestehende Abkürzung gewählt hat, ist er auch bei einem der Künstlerkollektive dabei, die im Jahr 2011 am meisten beeindruckt haben: Bon Iver. Er ist dort unterstützend beim Gesang und am Klavier tätig, und er ist Chef-Schlagzeuger. Doch um seine Mitarbeit in Justin Vernons musikalischem Großprojekt geht es ausnahmsweise mal nicht.

Denn S. Carey, dessen Vorname Sean wahrscheinlich eben aufgrund der schönen Lesart nicht ausgeschrieben wird, veröffentlichte gerade seine „Hoyas“ betitelte erste EP mithilfe von Ben Lester (unterstützt sonst A. A. Bondy) und dem produzierenden Können von Bon-Iver-Homeboy Justin. Vor zwei Jahren, vor dem „richtigen“ Durchbruch mit Bon Iver, gab es schon mal ein Album mit dem Titel „All We Grow“. Dort mischte S. Carey bereits klassische mit elektronischeren und Ambient-Einflüssen. Allerdings fehlte dabei oft die treibendere Komponente wie der ein oder andere Bass.

Und so ruhig, ambientig-klassisch mit klarem Gesang ist die EP „Hoyas“ nicht. Der wie Justin Vernon aus Wisconsin stammende Carey bietet viel mehr Elektronik und Verzerrung, besonders auch in der Stimme. „Hoyas“ besteht aus vier Stücken, die bei anderen Produktionen durchaus schon mal gereicht haben, um ein befriedigendes Ganzes mit dem Label „EP“ zu sein. Doch hier fragt man sich, ob bei dem ganzen Trubel um das erwähnte Großprojekt überhaupt Zeit blieb, eine neue Platte zu konzipieren, oder ob S. Carey sich vielleicht etwas von seinen bisherigen Stücken und dem Bon-Iver-Konzept abgrenzen wollte.

Pochen und Blubbern

Es ist hier das erste Stück auf der Platte, das sich sehen lassen kann und diese Rezension verlangte – „Two Angles“. Zurückhaltend beginnendes elektronisches Pochen und Blubbern, Synthesizer zwischen Drums, bis die mit Hall belegten Vocals einsteigen – das ist wirklich ein guter Track. Keinesfalls musikalisch unkomplex, führt mal eine elektronische Gitarre, mal ein Bläser die Melodie weiter, und auch der Gesang legt sich verfolgend um den Hörer. Das Stück ist fünfeinhalb Minuten lang; was für die am Radio-Airplay orientierte Popsongdauer schon überdurchschnittlich ist, kommt einem aber vor wie eine zwanzigminütige Komposition.

Eigentlich schade, dass danach drei Stücke folgen, auf die man nach Verklingen der letzten Töne von „Two Angles“ wartet, die keinesfalls so mitnehmend sind. „Marfa“ ist etwas grooviger und schwerer, „Avalanche“ sehr elektro-poppig. Eigentlich sind es bei beiden in erster Linie die mit zu viel Effekten belegten Vocals, die von Anfang an mehr stören als tragen, während die musikalische Führung zumindest in „Avalanche“ fast schon nach Bon Iver klingt.

Und dies ist so positiv zu verstehen wie nur möglich, doch auch so enttäuschend, denn am Ende ist „Hoyas“ – abgesehen von „Two Angles“ – und das ist immerhin schon eine gute Ausbeute bei vier Songs – nicht überzeugend. Die Effekte sind übertrieben und nehmen die Ruhe und Ausgeglichenheit aus den Stücken. S. Careys Songs sollen das Leben umgeben („These songs are about the ambient sides of life.“), sind für nächtliches Autofahren gemacht oder um am Straßenrand zu liegen. So sagt er selbst. Ganz schön viel, vielleicht aber auch Dinge, für die man sich auch andere Musik vorstellen kann.

Label: Jagjaguwar | Kaufen

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