Neue Platten: Jam City – „Dream A Garden“

Cover von Jam Citys neuem Album Jam City – „Dream A Garden“ (Night Slugs)

Wir leben in einem Zeitalter des Zynismus. In dem nichts mehr eigentlich, aber alles uneigentlich ist. Und in dem Utopien von einer besseren, gerechteren, friedlicheren Welt gar nicht erst diskutiert, sondern belächelt und in einem Meer aus zynischen Kommentaren ertränkt werden.

Dem britischen Produzenten und Musiker Jack Latham alias Jam City ist das zuwider. Mit seinem neuen Album „Dream A Garden“ will er ein Zeichen setzen gegen die passive Haltung, die seine Zeitgenossen angesichts all der wirtschaftlichen und politischen Krisen lähmt. „Wir müssen uns bewusst machen, wer der Feind ist. Es sind die Menschen mit Geld, es sind die Menschen mit Macht und wir müssen endlich darauf aufmerksam machen“, sagte Latham kürzlich dem britischen Online-Magazin Fact.

Solche Aussagen sind trotz ihrer plakativen Aura heute wichtiger denn je – gerade angesichts der wachsenden Anzahl konservativer politischer Kräfte und einer zunehmend an Nationalismus, Rassismus und Statusverlustangst verblödenden Mittelschicht.

Musikalisch klingt „Dream A Garden“ jedoch weit weniger agitatorisch, aber dennoch überraschend. Denn der Londoner Latham hat sich radikal von seinen bisherigen Dance Music-Produktionen zwischen Dubstep-affinen Subbässen, swingendem Funky und überdrehtem House verabschiedet – zugunsten eines verträumt-strangen Electropops, der trotz aller politischen Relevanzbehauptung jegliche Alec Empirescher Haudrauf-Metaphorik oder verkopfte Diskurspoprhetorik vermeidet.

Im Gegenteil: Die Musik fühlt sich an wie eine über allem schwebende Blase aus zeitgenössischem 80s-Retro-Sound, Electronica und obskurem Ambient. So reichen die Tracks vom radiotauglichen und vermutlich am sorglosesten daherkommenden „Today“ bis zum beatlosen „Damage“, in dem sich ein paar angefunkte Gitarrenakkorde tapfer durch das Klangdickicht eines melancholischen Drones schlagen. Auf mehreren Songs, und das ist ein weiteres Novum, greift Latham selbst zum Mikrofon, wobei die Stimme stets unter dem Sounddesgin vergraben bleibt, als stünde zwischen ihm und der Musik eine verborgene, Distanz schaffende Wand.

„The Worlds Are Disconnected“ und „Don’t Be So Cynical“, singt Latham in „Unhappy“. Es sind Sätze, mit denen Latham vor allem Identifikation stiften will, wie er im Interview erzählt. „Alles, was ich mit diesem Album sagen will, ist: Seht, ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, der so fühlt.“

Latham mag den Zynismus unserer Zeit kritisieren, doch er bewegt sich damit auf dünnem Eis, etwa wenn er sich – wie etwa im Video von „Unhappy“ mit den Insignien eines verlorenen Klassenkampfes schmückt. Der Trenchcoat mit den Sicherheitsnadeln und handgeschriebenen Slogans „Love Is Resistance“ und „Protest & Survive“, den er nach eigener Auskunft nicht zu Marketingzwecken, sondern auch privat trägt, wirkt da irgendwie unzeitgemäß im Hinblick auf die postmoderne Totheit solcher Symbole. Aber Moment: Wir wollten ja eigentlich beim Eigentlichen bleiben. Warum also nicht mal die Botschaften genauso lesen, wie sie in ihrem Wortlaut verstanden werden wollen? Also: Widerstand, jetzt! Zur Not auch mit Liebe, diesem unbarmherzigen Seinsmodus aus irrationaler Ergriffenheit und Selbstzweifel, aber auch kreativer und positiver Energie.

Label: Night Slugs

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