Zwischen Oma-Sofa, bestickten Kissen und Plattenregalen – Sóley im Porträt

Foto von SóleySóley (Foto: Linda Knauer)

Ihre musikalische Welt malt die isländische Künstlerin Sóley auf ihrem Album „We Sink“ in düster-verträumten Tönen. Die von ihr geschaffene pianolastige Landschaft wird immer wieder von Melancholie verdunkelt; oft erscheint die Atmosphäre so zerbrechlich, dass ein falscher Laut alles zerstören könnte. Manchmal scheint sie auch ein bisschen aus den Fugen zu kippen, diese Welt. Der Takt verschiebt sich, setzt aus und läuft in einem anderen Rhythmus weiter. Klaviermelodien in Moll schweben über einem Gerüst aus unerwarteten Geräuschen und Rhythmen. Und über allem liegt die ganz spezielle Stimme Sóleys, an die man sich erstmal gewöhnen muss, weil sie so wenig gemein hat mit den klangvollen Stimmen anderer Solo-Künstlerinnen.

Sóley Stefánsdóttirs reale Welt ähnelt ihrer musikalischen nur wenig. Gemütlich und überhaupt nicht düster ist ihre Wohnung in Reykjavík, die sie sich mit ihrer kleinen Familie teilt. Im Wohnzimmer liegt das wenige Monate alte Baby entspannt auf einem Spielteppich, aufmerksam beäugt von der getigerten Katze, die sich noch nicht ganz an den Neuzuwachs gewöhnt hat. Die Einrichtung schwankt mit Oma-Sofa, bestickten Kissen und Regalen voller Platten irgendwo zwischen altmodisch und Hipster, ein bisschen so wie Sóley selbst, die eine Art gemusterten Kittel, einen hohen Dutt und eine großrahmige Hornbrille trägt. Ihre Sing- und ihre Sprechstimme ähneln sich sehr: nicht gerade volltönend, aber irgendwie samtig und sehr einprägsam.

Musik sei schon immer ein Teil von ihrem Leben gewesen, erzählt Sóley, lange schon vor ihrem Kompositionsstudium in Reykjavík und dem Erfolg des 2011 veröffentlichten Albums „We Sink“. Von den zahlreichen Instrumenten, die sie beherrscht, liegt ihr das Klavier besonders am Herzen, denn „mit dem Klavier kann man die verschiedensten Klänge produzieren. Ich liebe seine Bandbreite“. Angefangen hat Sóley mit einer Ausbildung in klassischer Musik, aber mit dem System der Musikschulen konnte sie nicht viel anfangen: „Viel zu oft werden junge Leute dazu gezwungen, Klassik zu spielen, obwohl sie sie gar nicht verstehen und viel mehr Lust auf Pop-Musik hätten. Da fehlen einfach die Möglichkeiten“, erklärt sie. Trotzdem sei sie froh, dass sie klassische Techniken gelernt habe, bevor sie eine Jazz-Schule besucht und ihr Studium aufgenommen habe. Einen bestimmten Zeitpunkt in ihrem Leben, an dem sie beschlossen hätte, Musikerin zu werden, gab es aber nicht. Das sei einfach passiert, durch die Kontakte aus ihrer Musikschule, die Arbeit mit der Band Seabear und nicht zuletzt durch ihre deutsche Plattenfirma Morr Music, die Sóley ermutigt hat, eigene Songs zu veröffentlichen. „Das war wohl das, was man einen Schneeballeffekt nennt“, sagt sie. „Auch jetzt weiß ich eigentlich nicht genau, was ich mache. Just go with the flow!“ Ganz willenlos lässt sich Sóley dann aber doch nicht mit dem Flow treiben. Als Morr Music die Idee zu einem Klavier-Album fast ohne Gesang anfangs ablehnte, drohte sie damit, das Album einfach selber rauszubringen. Mit Erfolg: „Krómantík“ erschien im Juli 2014.

Im Gespräch gibt sich Sóley entspannt, aber auch konzentriert. Sie denkt in Ruhe über die gestellten Fragen nach und spricht bedächtig, das Englisch durchsetzt von einem leichten isländischen Akzent. Auf die Frage, warum sie ihre Songs eigentlich nicht auf Isländisch schreibe, verrät die Sängerin, dass sie genau das anfangs getan habe. Die ersten Stücke in der Muttersprache hätte nur niemand zu Gesicht bekommen. Dass sie Englisch nicht perfekt beherrscht, sieht sie auch als Vorteil. „Ich bin zwar oft unsicher, ob grammatikalisch alles richtig ist, denke mir dann aber: ‚Na ja, es ist ja Kunst‘ und mache weiter“, erzählt sie mit einem Grinsen. „Und wenn ich die Texte gezwungenermaßen einfach halte, verstehen sie wenigstens Leute aus der ganzen Welt.“

Obwohl Sóleys Musik fast durchweg in langsamen Tempi und in Mmoll geschrieben ist, wird sie doch nicht langweilig, weil es so viel zu entdecken gibt. „Irgendwann merkt man, dass man machen kann, was man will. Und alles benutzen kann, was man jemals gelernt hat“, erklärt sie. Gut, dass Sóley auf ihrem musikalischen Weg schon so viel gelernt hat. Und mutig genug ist, ihr Wissen auf unkonventionellen Wegen einzusetzen, um sich ihre ganz eigene musikalische Welt zu schaffen.

„Ask The Deep“, das neue Album von Sóley, erscheint am 8. Mai 2015 via Morr Music.

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