Oneohtrix Point Never – „Magic Oneohtrix Point Never“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „Magic Oneohtrix Point Never“ von Oneohtrix Point Never, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Oneohtrix Point Never – „Magic Oneohtrix Point Never“ (Warp Records)

Nach einem langen, ausgedehnten Sterbeprozess kann man es mittlerweile definitiv behaupten: „Zappen“ ist ein totes Wort. Dafür haben den traditionellen Fernsehkonsum ersetzende Streamingangebote ihr Übriges getan. Zeit für einen kleinen Nachruf. Wenige Tätigkeiten waren so unmittelbar befriedigend, wie das stumpfe Herumschalten zwischen Sendern – egal ob im Fernsehen oder im Radio. Das Zappen schuf ein Gefühl von Kontrolle, das man im Meer der unbegrenzten Streaming-Möglichkeiten schwer vermissen kann und wird.

Daniel Lopatin scheint es so sehr zu vermissen, dass er dem Zappen nun ein ganzes Album widmet. Die Musik, die der US-amerikanische Musiker seit über einem Jahrzehnt unter dem Decknamen Oneohtrix Point Never produziert, hatte schon immer etwas collagenartiges: Sein 2011er-Durchbruchsalbum „Replica“ war ein Sampledelia-Flickenteppich, zusammengewoben aus Werbeclips aus den 90er-Jahren. „Garden Of Delete“ (2015) war ein bizarrer Zerrspiegel aus Grunge-Gitarren und abstrakter, digitaler Musique Concrète. Doch „Magic Oneohtrix Point Never“, sein neuntes Werk, ist nochmal ein ganz eigenes Biest.

Und zapp – ist es vorbei

Lopatin konzipierte das Album wie einen nicht endenden Fluss aus Radiowellen – inklusive harten Genre-Wechseln, die wie hektische Kanalwechsel anmuten. Wobei diese „Kanäle“ – wie man es von Oneohtrix Point vermuten würde – nicht viel mit kommerziellem Radio zu tun haben. Eine blubbernde Ambient-Meditation mutiert binnen Sekunden zu treibender Electronica. Ein verträumtes Pop-Stück reißt kurz vorm Höhepunkt ab und verwandelt sich in abstrakten Noise. Auch „Moderationen“ gibt es in seinem Radio – doch die Stimmen sind verzerrt und die Wörter rätselhaft. „Somehow the music we all grew up listening to doesn’t relate to our adult reality and our new dreams“, sagt so eine Stimme. „The music we grew up with doesn’t speak for us.“

Inmitten dieser konzeptionellen Kopfmusik versteckt Lopatin doch durchaus einige Momente, die genau das tun – zu ihrem Publikum sprechen. Manchmal wechselt sein Radio nämlich zu wunderbarer Pop-Musik. Da ertönt dann zum Beispiel „Long Road Home“, ein traumhaftes Duett mit der Art-Pop-Künstlerin Caroline Polachek. Oder „No Nightmares“, ein weiteres Duett, diesmal mit Neo-R&B-Star The Weeknd – der diese LP auch koproduzierte. Diese Stücke gehören zu den strahlendsten Momenten in Lopatins Karriere. Und zapp – schon sind sie wieder vorbei.

Veröffentlichung: 30. Oktober 2020
Label: Warp Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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