The Bug – „Fire“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „Fire“ von The Bug, das unser ByteFM Album der Woche ist.

The Bug – „Fire“ (Ninja Tune)

Ein beherztes „What the fuck?“. Das ist die Reaktion, die sich Kevin Richard Martin laut eigener Aussage auf seine Musik erhofft. Und wer die Tracks des Briten kennt, weiß, dass dieser Ausruf angemessen ist. Martin bewegt sich in all seinen Projekten stets an der Grenze zur Unerträglichkeit. Ob im chaotischen Jazzcore seiner Band GOD, dem mit Grindcore und Power Electronics flirtenden Industrial-HipHop-Kollektiv Curse Of The Golden Vampire oder mit dem existenzialistischen Drone-Rap-Duo King Midas Sound.

Auch The Bug, das Soloprojekt, mit dem seine Karriere in den 90er-Jahren begann, ist eine extreme Angelegenheit. Martins The-Bug-Tracks ließen sich grundsätzlich konsenstauglichen Genres wie Dub, Grime oder Dancehall zuordnen, wenn sie nicht durch den Noise-Fleischwolf und den mächtigsten Bassfilter der Welt gezogen würden. Diese Musik schreit nach dunklen, gefährlichen Kellerloch-Raves – gefährlich, da dieser Bass ganze Hochhäuser zum Einstürzen bringen könnte.

Synthesizer-Lawinen und markerschütternde Bässe

Solch intensive Tracks zu schmieden, ist vermutlich keine leichte Aufgabe. Dementsprechend liegt die letzte Veröffentlichung von The Bug auch sieben Jahre zurück. Das nun erscheinende fünfte Soloalbum „Fire“ knüpft jedoch nahtlos an den 2014er Vorgänger „Angels & Devils“ an. So nahtlos, dass kaum Luft zum Atmen bleibt. Nach einem Spoken-Word-Intro, das mit seiner dystopischen Gegenwartspoesie auch problemlos auf dem aktuellen Godspeed-You!-Black-Emperor-Album Platz finden würde, bietet der erste richtige Song „Pressure“ drei WTF-Momente in schneller Abfolge. Der erste kommt in Form der eröffnenden verzerrten Synthesizer-Lawine. Der zweite mit Gastrapper Flowdans harten Versen, begleitet von einem knurrenden Bass. Und dann kommt der dritte Moment, der die Kinnlade runterklappen lässt: Wenn die starke Bassline Platz macht für den echten, durch Mark und Bein fahrenden Subbass.

Gemeinsam mit den zahlreichen Features, die jeden der 14 Songs von „Fire“ abrunden, hält Martin dieses Intensitätslevel auf LP-Länge aufrecht. Die ständig wechselnden Stimmen sorgen für Abwechslung: US-Rapperin (und selbst Noise-Künstlerin) Moor Mother kombiniert in „Vexed“ Schaum-am-Mund-Flow mit autoritärem Swagger. Raggamuffin-Pionier Daddy Freddy demonstriert in „Ganja Baby“ eindrucksvoll, warum der Jamaikaner einst den Guinness-Buch-der-Rekorde-Eintrag als „schnellster Rapper der Welt“ besetzte, begleitet von genauso schnellen Snare-Wirbeln und Bass-Wobbels. MCs wie FFSYTHO und Manga Saint Hilare rappen sich in Tracks wie „How Bout Dat“ und „High Rise“ durch Martins maximal übersteuerte Grime-Vision. Wenn dann Martins King-Midas-Sound-Kollege Roger Robinson im Outro „The Missing“ von einem Instrumental umrahmt wird, das in etwa so klingt, wie sich ein Erdbeben anfühlt, bleibt nur eine gleichzeitig verwirrte und ekstatische Reaktion: What the fuck?

Veröffentlichung: 27. August 2021
Label: Ninja Tune

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

Das könnte Dich auch interessieren:



Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.