Matthew E. White – „K Bay“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „K Bay“ von Matthew E. White, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Matthew E. White – „K Bay“ (Domino Records)

Das Konzept der „White Guilt“ ist ein essentieller Bestandteil der progressiven, hellhäutigen Linken. Das (berechtigte) Schuldbewusstsein der weißen Bevölkerung gegenüber den rassistischen Verbrechen ihrer Vergangenheit. Speziell in Ländern mit einer langjährigen Geschichte von systemischer, rassistischer Unterdrückung, wie zum Beispiel in Deutschland oder auch in den USA. Matthew E. White trägt eine Hälfte dieses Konzepts sogar im Namen. Und im Blut: Der US-Musiker stammt aus Virginia, einem der US-Staaten, die sich im Bürgerkrieg auf die Seite der Sklaventreiber schlugen.

White setzt sich schon seit Beginn seiner Solokarriere mit der Geschichte seiner Heimat auseinander. Sein 2012er Debütalbum „Big Inner“ war auf der Text-Ebene eine Sammlung von Charakterstudien über diverse Figuren der US-Südstaaten, über Rednecks und Bürgerkriegs-Verlierer*innen. Musikalisch vereinte er Roots-Rock und Americana mit dezidiert afroamerikanischen Einflüssen, mit Gospel, Funk und Jazz. Damals performte er diese Mischung noch mit der vergifteten Leichtfüßigkeit eines Randy Newman. Sein nun erscheinendes drittes Album schlägt thematisch in eine ähnliche Kerbe. Doch die vergangenen zehn Jahre sind an Whites Schuldbewusstsein nicht spurlos vorbeigezogen. „K Bay“ ist sein bis dato politischstes Werk – eine LP, die rigoros mit sich selbst und der eigenen Geschichte kämpft.

Gegen das Wegsehen

Whites musikalische Formel ist dabei gleich geblieben – weiße „Roots Music“ mit schwarzen Einflüssen. Doch die Umsetzung ist so dringlich wie nie zuvor. Dass White ein vielseitiges musikalisches Ohr hat, ist nichts Neues – das demonstriert beispielsweise seine Produktionsarbeit für Natalie Prass eindrucksvoll. Doch „K Bay“ ist ein stetig mutierendes Biest. Whites Band, zusammengesetzt aus der Hausband seines selbstgegründeten Labels Spacebomb Records, beherrscht ein wunderbar kontrolliertes Chaos. Mutet der Opener „Genuine Hesitation“ noch wie Yacht-Rock an, knallt das folgende „Electric“ einem gnadenlos groovende Jazz-Fusion-Vibes entgegen. Auch in den furiosesten Momenten ist diese Band wahnsinnig tight – was nicht bedeutet, dass das Fundament stabil ist. White und Konsorten können in einer Sekunde nach Prince, in der nächsten nach Steely Dan und dann plötzlich wieder wie Miles Davis auf „On The Corner“ klingen.

Das thematische Epizentrum – und der beeindruckendste Song – dieses Albums heißt jedoch „Only In America / When The Curtains Of The Night Are Peeled Back“. Es ist ein achtminütiges Epos über das jahrhundertlange, bewusste Augenverschließen der Weißen. „We‘ve tried our best to turn our back / Learnt by heart the ways to tie a noose“, singt er in den ersten Sekunden und beschwört direkt Bilder von Lynchmorden herauf. Das Stück beginnt elegisch, getragen, mit Bläsern und Streichern – doch zum Ende hin wird es dissonant und kraftvoll. Im Finale listet White Namen von ermordeten Afroamerikaner*innen auf: Martin Luther King, Rodney King, Emmett Till, Sandra Bland. Spätestens hier wird klar: „K Bay“ ist mehr als ein Schuldeingeständnis. Es ist ein großes Kunstwerk über Ignoranz und Verdrängung – das es gleichzeitig unmöglich macht, wegzuhören.

Veröffentlichung: 10. September 2021
Label: Domino Records

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

Das könnte Dich auch interessieren:

  • Matthew E. White hat mit „K Bay“ ein neues Album angekündigt.
    Der US-amerikanische Musiker Matthew E. White hat ein neues Album namens „K Bay“ angekündigt. Es ist das erste Soloalbum des Produzenten und Singer-Songwriters seit der 2015er LP „Fresh Blood“....
  • Jamie xx – „In Colour“ (Album der Woche)
    Dance-Musik macht Jamie xx glücklich. Mit seinem Debütalbum "In Colour" gibt der 26-Jährige ein Stück von diesem Glück weiter. "In Colour" ist ein in vielen Farben schillerndes House-Dubstep-Amalgam. Soundschnipsel aus Jungle-Dokus und hochkarätige Gäste treffen auf pluckernde Arpeggios, dröhnende Synths und lässige Beats....
  • Pressebild von Boulevards, dessen Song „Run & Move“ heute unser Track des Tages ist.
    Mit dem Song „Run & Move“ kündigt Boulevards ein Album an, das er als „Southern Fried Carolina Funk“ beschreibt. „Run & Move“ ist unser Track des Tages!...


Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.