Deap Vally – „Marriage“ (Rezension)

Von Irene Schulz, 7. Dezember 2021

Bild des Albumcovers von

Deap Vally – „Marriage“ (Cooking Vinyl)

7,6

Platz da, hier kommt viel Instrument und Effekt! „Marriage“ ist das dritte Album des Duos Deap Vally, bestehend aus Lindsey Troy und Julie Edwards. Dass die beiden Kalifornierinnen – die sich übrigens bei einem Häkelkurs kennengelernt haben – Indie-Rock mit Wumms machen, ist bereits bekannt. Neu ist allerdings die Bandbreite der Gestaltungsmittel: Die Hörer*innen bekommen neben Edwards‘ dunklem Schlagzeug und Troys divers verzerrter Gitarre auch Piano-, Orgel- und Saxofonklänge auf die Ohren. Hier und da ergänzt ein Background-Chor Troys mehrfach gelayerte Stimme, die zwischen geschrienen Lines, hauchigem Gesang und spöttischem Plärren pendelt (Fans von Alison Mosshart gefällt das).

„Nur nicht zu viel Ernsthaftigkeit“, scheint das Motto zu lauten. Das fängt schon beim Cover an, auf dem sich Troy und Edwards unter anderem mit sexy Crocs in aufregender Kleingarten-Atmosphäre inszenieren. Ergänzt wird das Ganze mit Wortspielen und Dada-Texten wie „I can’t function at this luncheon / Every octopus has suction“ („Perfuction“). Electroclash-Produzentin Peaches, die bei „High Horse“ mitmischt, toppt das Ganze, indem sie zusammenhangslos über gedämpften Kohl, HIV-Arzneimittel und Darmflora rappt – soll daraus schlau werden, wer will.

Braver Bluesrock zum Auf-dem-Tisch-Tanzen

Bei all dieser Albernheit durchzieht die erste Albumhälfte vereinzelt sozialkritisches Augenzwinkern. Gleich der Opener „Perfuction“ erteilt neoliberalem Selbstoptimierungszwang eine Absage. Im darauffolgenden „Billions“ kommentiert Troy mit verzerrter Stimme: „Forget the grandkiddies / The world is over.“ Hach, wie zynisch. Hach, wie cool. Ein bisschen einfallslos wirkt dagegen die Masse an Selbstbehauptungshymnen wie „Tsunami“ und „Phoenix“, die sich in ihrer Dynamik klar unterscheiden, unterm Strich aber in abgenutzten Metaphern dasselbe aussagen. Die wenigen sensiblen und verletzlichen Töne, die Troy und Edwards z. B. im Walzer „Give Me A Sign“ anschlagen, sind in ihrem repetitiven Charakter zwar eingängig, rühren textlich aber an der Oberfläche.

Deap Vally brechen kaum aus gewohnten Pop-/Rockmustern aus. Daran ändern auch Troys vereinzelter Sprechgesang und Edwards‘ schlagzeugtechnische Ausflüge in den R&B wenig. Die zwölf glatt produzierten Songs laufen überwiegend gleich ab: Strophe, Refrain, Strophe, Bridge, Refrain – egal, ob Ballade oder Powersong. Bei all den Bluesriffs und drückendem Schlagzeug wirkt das sehr brav.

Aber wenn es doch funktioniert! Deap Vally liefern mit „Marriage“ ein stabiles Rockalbum, das bei allem repetitiven Charakter divers nuancierte Songs aufweist und mit seinen 38 Minuten nicht langweilig wird. Sicher, wer bahnbrechende Innovation sucht, wird hier weniger fündig. Wer Lust bekommen will, auf dem Tisch zu tanzen, schon eher.

Veröffentlichung: 19. November 2021
Label: Cooking Vinyl

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

Das könnte Dich auch interessieren:

  • Cover des Albums Yes Lawd! von NxWorries
    Knxwledge bastelt lässige Samples à la Madlib, Anderson .Paak rappt locker und mit viel Soul darüber. Ein paar uneilige Beats dazu – fertig ist „Yes Lawd!“, das Debüt der HipHop-Kollaboration mit dem Namen NxWorries....
  • Klez.e – „Desintegration“ (Album der Woche)
    Mit "Desintegration" schauen Klez.e zurück ins Jahr 1989. Das Album ist eine Hommage an ihre Jugend und an damals wie heute vergötterte Wave-Bands wie The Cure, die Schwermut so schön in Musik verpackten....
  • Cover des Albums Somersault von Beach Fossils
    Die Songs von Beach Fossils klingen wie das Ende eines langen Tages am Meer: sanfte Erschöpfung, Sand im Haar, der Kopf angenehm weich. Auch auf „Somersault“ fängt die Band aus New York diese Stimmung wieder wunderbar ein....


Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.