Nilüfer Yanya – „Painless“ (ATO Records)
Nilüfer Yanya weiß, wie kräftig ein Hauchen klingen kann. Die Londonerin singt in ihren Songs stets zurückgenommen, ein bisschen apathisch, nicht weit entfernt von ihrer ebenfalls in der britischen Hauptstadt residierenden Kollegin Tirzah. Nur umgibt Yanya ihre Stimme nicht mit minimalistischen 2-Step-Beats, sondern mit eng umschlungenen E-Gitarren-Arpeggios. Und sie versteht es, die Melancholie in kathartische Refrains münden zu lassen.
Im Vergleich zu ihrem Debüt „Miss Universe“ aus dem Jahr 2019 ist ihr zweites Album „Painless“ messerscharf und fokussiert. Das mag am Anfang noch nicht so wirken – doch die Qualität ihres Debüts sollte ein gewisses Grundvertrauen in ihre Songwriting-Kunst hergestellt haben. Das Album öffnet mit „The Dealer“. Ein seltsames Amalgam aus Madchester-Drums, Dreampop-Gitarren und einer unverschämt groovenden Bassline. „I need some time to work out who this is“, singt Yanya über diese instabile Mischung.
Zwischen Fall und Aufprall
Dass sie ganz genau weiß, womit sie es hier zu tun hat, demonstriert die junge Musikerin in den meisterhaften Songs, die darauf folgen. Im bedrohlich nach vorne kriechenden „L/R“. „Shameless“, dem perfekten Stück Dreampop, das sich für ein paar herzzerreißende Sekunden in ein getragenes Piano-Instrumental verwandelt. Im Energieschub namens „Stabilise“, der zum ersten Mal einen der infektiösen, geshouteten Nilüfer-Yanya-Refrains enthüllt, die man von ihrem Debüt und ihren ersten EPs bereits kennt. Sie verschwendet keine Sekunde. Jeder Moment ist mit eingängigen Melodien und interessanten Twists gefüllt. So verwandelt sich der Trip-Hop von „Midnight Sun“ von einem Moment auf den nächsten in ein grungiges Noise-Feuerwerk.
Und überall als Klebstoff zwischen diesen dispersen Elementen: Yanyas gehauchter Gesang. Die eingangs erwähnte Apathie ist natürlich Quatsch, diese Musik ist voll mit Emotionen. „I miss the kind of patience that breaks your heart“, singt Yanya zu Beginn des Albums. Die Schmerzfreiheit, die „Painless“ seinen Titel gibt, ist die relative Schmerzfreiheit vor dem Knall. Musik für die Sekunden zwischen dem Fall und dem plötzlichen Aufprall.
Veröffentlichung: 4. März 2022
Label: ATO Records