Ebow – „Canê“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „Canê“ von Ebow, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Ebow – „Canê“ (Alvozay)

Ebow kann brutal flexen und im selben Atemzug über Rassismus, Queerness und die Befreiung von Kurdistan reflektieren. Oftmals im Abstand von nur wenigen Sekunden. Das ist erst einmal nicht weiter überraschend. Schließlich demonstriert die als Ebru Düzgün geborene Rapperin diese kontrastreichen Skills seit schon fast einem Jahrzehnt, seit ihrem selbstbetitelten Debütalbum aus dem Jahr 2013. Auch „Canê“, das neueste Werk der Münchenerin, ist wieder so ein meisterhaft ambivalentes HipHop-Album, das zwischen roher Emotionalität, politischem Appell und genussvollem Angebertum oszilliert.

Diese Ambivalenzen hat Düzgün diesmal explizit in die Struktur der LP eingearbeitet: „Canê“ ist lose in zwei Akte unterteilt. Es beginnt mit hartem 808-Geballer. Nach der den Subwoofer aufrüttelnden Free-my-people-Hymne „Dersim62“ schiebt Ebow direkt die Single „Araba“ hinterher. Ein ebenso mächtiges Stück Battle-Rap, in dem sie mit eiskalten Lines ihre männliche Konkurrenz massakriert: „Vielleicht sagt Ihr alle Eure Alben ab / Als ob einer von Euch Rappern noch ein Album schafft / Schreibe drei Hits und date Deine Bitch in einer Nacht.“

Zwischen Battle-Rap und Liebesliedern liegt Konsumkritik

Nach vier Tracks shiftet die Atmosphäre. Songs wie „Excalibur“, die Single „Trouble“ oder der abschließende Titeltrack sprechen eine deutlich sanftere Sprache. Hier singt Ebow über Spät-90er- und Nullerjahre-R&B-Vibes von Liebe, Nähe und Selbstzweifeln. „Ich will nicht Probleme bringen, wo Probleme sind / Canê, ich lach‘, doch in mir stecken Tränen drin“, rappt sie in „Trouble“ („Canê“ ist kurdisch für „Seele“ oder „Liebling“). Diese beiden Polaritäten des Albums schließen sich nicht einander aus, vielmehr verstärken sie sich gegenseitig.

Und dann ist da noch „Prada Bag“, genau zur Mitte der LP, das wahre Meisterstück dieses Albums. Was als leicht augenzwinkernder Swag-Rap beginnt, entpuppt sich als eine Dekonstruktion von genau diesem. Nach zwei Minuten 808-Rasseln und Handtaschen-Flexen hält der Song plötzlich an und macht Raum für einen Monolog: „Wenn Du in einer Gesellschaft aufwächst, die Dich immer als Mensch zweiter Klasse sieht“, spricht Ebow, „dann ist Deine einzige Möglichkeit, auf gleicher Augenhöhe zu stehen, ihnen zu imponieren“. „Aber ich, im Prada-Outfit“, fährt sie fort, „in Deiner weißen Nachbarschaft mach’ Dir mehr Angst als irgendwelche Clans auf RTL“. „Guck mich an!“, wiederholt sie immer wieder – nur um mit dem ultimativen Mic-Drop zu enden: „Ganz ehrlich, Ihr seht sogar reich scheiße aus.“ Spätestens jetzt sollte allen klar sein, dass wir es hier mit einer der vielseitigsten und besten Rapperinnen dieses Landes zu tun haben. „Mein größter Flex ist / Dass ich ich selbst bin“, rappt Ebow zu beginn dieses Albums. Möge sie für immer genau das bleiben.

Veröffentlichung: 18. März 2022
Label: Alvozay

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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