Rocko Schamoni – „All Ein“ (Album der Woche)

Cover des Albums „All Ein“ von Rocko Schamoni, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Rocko Schamoni – „All Ein“ (Misitunes)

Rocko Schamoni guckt in seinen Spiegel und erkennt sich nicht wieder. Da ist „Fett am Ellenbogen“ und „welke Haut am Kinn“ – das kann doch nicht richtig sein? „Was ist mit uns passiert?“, fragt er sein Gegenüber. Der einzige Ausweg aus diesem existenziellen Albtraum: direkt an der Himmelstür klopfen und sich beschweren. „Das bin nicht ich“, lamentiert er dort. „Und erkenne das auch nicht.“

Ist „All Ein“, das mittlerweile zwölfte Soloalbum des Hamburger Autor, Musikers und Schauspielers, also eine musikgewordene Midlifecrisis? Nicht unbedingt. Denn im Grunde geht es in den Songs weniger um das Nachtrauern der verblassenden Jugend als um die Auseinandersetzung mit dem Unvermeidlichen: Sterben und Tod.
Die Vergänglichkeit ist nicht nur Thema der eingangs zitierten Single „Das bin nicht ich“, sondern erscheint auch in „Wenn Ihr geht“: „Wenn Ihr geht / Und sich Nebel auf Landschaften legt / Wenn der Baum keine Früchte mehr trägt / wird mein Spiegelbild bitter und alt“, singt sein trockener Bariton da, mit dieser selbstironischen Resignation, die man von Schamoni gewohnt ist. In „Romy & Rocko“ fantasiert er sich eine Beziehung mit Romy Schneider zusammen, inklusive Dialogsamples, die aus ihren Filmen entnommen wurden. „Ich möchte so tun, als wärest Du nur meinetwegen gekommen“, sagt der schon lange verstorbene Filmstar. „Stimmt ja auch, wegen Dir und Deinem Akkuschrauber“, antwortet Schamoni. Das ist einerseits ziemlich witzig – und andererseits auch ein bisschen traurig.

Zwischen Albernheit und Tragikomik

Tragikomik ist schließlich das, was Schamoni schon immer zu einem spannenden Musiker gemacht hat. Ähnlich wie bei seinem ehemaligen Studio-Braun-Kollegen Jacques Palminger und dessen Kings Of Dub-Rock liegen in seiner Musik Albernheit und Melancholie ziemlich nah beieinander. „All Ein“ ist ein Album, auf dem ein herrlich quatschiges Stück wie „Return Of The Discoteer“ mit detailverliebt und mühevoll gestaltetem P-Funk ausgestattet wird – und danach in das ernsthafte „Inseln des Lichts“ übergeht (nur um danach wieder von einem Song mit dem Namen „Only Beer Can Save Us Now“ abgelöst zu werden).

Hinzu kommt noch, dass diese Tragikomik auf „All Ein“ so gut klingt wie noch nie zuvor. Nach der Retro-Schlager-Exkursion von „Die Vergessenen“ (2017) und den Barock-Pop-Liedern von „Musik für Jugendliche“ (2019) ist diese LP wieder eine musikalische Kehrtwende: Diesmal verneigt sich Schamoni vor Giorgio Moroder. Dessen elektronische Disco-Sounds dreht er in Songs wie „Ich und mein Schatten“ in eine sanft-melancholische Richtung, die perfekt zur allgegenwärtigen Krisenstimmung passt. Rocko Schamoni mag sich vielleicht selbst nicht mehr erkennen – aber er weiß immer noch, was er am besten kann.

Veröffentlichung: 26. August 2022
Label: Misitunes

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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