Kutiman – „Open“ (Siyal Music)
Welcher in einer Großstadt lebende Mensch kennt ihn nicht: den Traum vom Aussteigen. Einfach aufs Land ziehen und den Trubel der Metropole hinter sich lassen. Nur wenige haben diesen gerne sehr romantisierten Lebensentwurf so radikal in die Tat umgesetzt wie Ophir Kutiel. Der besser unter dem Namen Kutiman bekannte Künstler hatte Anfang des vergangenen Jahrzehnts genug von seiner Heimatstadt Tel Aviv und dem moderaten Ruhm, den ihn sein erfolgreiches Musikvideo-Projekt Thru You beschert hatte – und zog für neun Jahre in ein Kibbuz, inmitten der Wüste Negev. Mehr Kontrast geht wahrscheinlich nicht.
Doch irgendwann hatte Kutiel genug. „Ich wollte ein einfacheres Leben führen, und es war eine tolle Erfahrung“, sagt der Musiker rückblickend. „Aber nach neun Jahren relativer Einsamkeit wollte ich mich verändern, mehr mit anderen zusammenarbeiten und mich in die Öffentlichkeit begeben.“ So zog es ihn zurück in die Metropole, zurück nach Tel Aviv. Dort entstand sein sechstes Album, mit einem Titel, der diesen neuen gemeinschaftlichen Ansatz sehr gut zusammenfasst: „Open“.
Zwischen Wüste und Metropole
Wobei „mehr mit anderen zusammenarbeiten“ im Falle von Kutiman eine interessante Wortwahl ist. Schließlich spielt Kutiel auch auf „Open“ alle Instrumente selbst. Der einzige Mitmusiker auf der LP ist der ebenfalls aus Israel stammende Sänger Elran Dekel, dessen vielseitige Bariton-Stimme auf fünf der zwölf Tracks zu hören ist. Der Rest dieses Albums ist hundertprozentig von Kutiels Händen geschmiedet worden. Vom knochentrockenen Bass von „My Everything“ über die plätschernden Klavier-Arpeggios von „Canoe“ bis zum kräftigen Tenor-Saxofon-Solo von „Confetti“. Im Vergleich zum 2021 veröffentlichten, ambientlastigen Vorgänger „Surface Currents“ oder dem 2020 erschienenen, von tansanischem Folk beeinflussten „Wachaga“ ist „Open“ eine extrem groovende Angelegenheit. Bass und Drums bilden ein felsenfestes Fundament, über das Kutiel psychedelisch-jazzige Klangschichten stapeln kann. Dieser Psych-Funk strahlt nur so vor Spielfreude – so pulsierend wie eine Nacht in Tel Aviv.
Veröffentlichung: 14. Oktober 2022
Label: Siyal Music