The Pharcyde – „Bizarre Ride II The Pharcyde“ (Album der Woche)

Cover des Albums „Bizarre Ride II The Pharcyde“ von The Pharcyde, das unser ByteFM Album der Woche ist.

The Pharcyde – „Bizarre Ride II The Pharcyde“ (Delicious Vinyl)

Da zum Jahresende traditionell wenig neue Musik veröffentlicht wird, nutzen wir die Chance, den Blick nach hinten zu richten: Statt neuer Langspieler stellen wir wegweisende Alben vor, die 2022 ein Jubiläum gefeiert haben. In dieser Woche ist es „Bizarre Ride II The Pharcyde“ von The Pharcyde, das in diesem Jahr 30 Jahre alt geworden ist.

Auf „Bizarre Ride II The Pharcyde“ gibt es einige der besten HipHop-Instrumentals der frühen 90er-Jahre zu hören. Es ist die erste große Arbeit von Produzent J-Swift, doch das lässt er sich nicht anmerken. Auf der B-Seite des Albums ist einer dieser perfekten Beats: Meisterhaft verwebt er ein Sample von Al Kooper und Stephen Stills‘ 1968er-Coverversion von Donovans „Season Of The Witch“ mit einem zurückgelehnten Drumgroove und einem entspannt schlendernden, von ihm selbst eingespielten Bass. Die Musik mutiert im Verlauf des Tracks, wird mal leise, rückt in den Hintergrund, nur um immer wieder zum triumphalen, fast schon eleganten Bounce zurückzukehren. Ein absolutes Paradestück des Jazz-Rap-Sounds der 90er-Jahre. Und dann kommen die MCs dazu und jagen einen Deine-Mudder-Witz nach dem anderen über dieses Kunstwerk.

„Your mom is so fat / Your mama is so big and fat that she can get busy / With twenty-two burritos, but times are rough / I’ve seen her in the back of Taco Bell with handcuffs“, rappt Fatlip über diesen Track mit dem Namen „Ya Mama“, mit der überdrehten Energie eines Halbstarken in der letzten Reihe des Schulbusses. The Pharcyde, die Gruppe hinter diesem Song, waren keine Gangsta-Rapper wie die ebenfalls aus L.A. stammenden Hardcore-HipHop-Pioniere N.W.A. Sie waren auch keine spirituellen Hippies wie De La Soul oder Gesellschaftskritiker wie Public Enemy. Sie waren Klassenclowns. Hyperaktive Troublemaker, die am 24. November 1992 mit „Bizarre Ride II The Pharcyde“ einen absoluten HipHop-Klassiker veröffentlichten.

Klassenclown-Klassiker

Die Geschichte von The Pharcyde beginnt aber nicht mit Disstracks gegen alle Mütter dieser Erde. Trevant Hardson alias Slimkid3 und Emandu Wilcox aka Imani und Romye „Bootie Brown“ Robinson starteten ihre Showbiz-Karriere in den späten 80er-Jahren als Tänzer. Durchaus mit Erfolg, die drei schafften es sogar für einen kurzen Auftritt in die populäre Sketch-Show „In Living Color“. Doch der Job war hart, die Bezahlung war schlecht und eine andere Karrieremöglichkeit tat sich auf: Bei einem Musik-Workshop lernten sie den angehenden MC Derrick Stewart alias Fatlip und ihren zukünftigen Produzenten J-Swift kennen. Kurze Zeit später waren sie The Pharcyde und nahmen in Hollywood ihr Debütalbum auf.

Vom ernsten Gangsta-Rap-Swagger, der die L.A.-Rap-Szene der frühen 90er-Jahre dominierte, ist auf „Bizarre Ride II The Pharcyde“ keine Spur. Generell nimmt sich hier selten irgendjemand in irgendeiner Form ernst. Die vier MCs wirken mehr wie vor Hormonen übersprudelnde Freunde, die sich gegenseitig zum Lachen bringen wollen. Selbst im textlich gesehen ernsthaftesten Song des Album, „Officer“, in dem die vier ihre Erfahrungen mit Racial Profiling verarbeiten, klingen sie verschmitzt.

Und bei all der Clownerie stimmt das Entscheidende: die Musik. Slimkid3s, Imanis, Bootie Browns und Fatlips Albernheiten sind in beinahe telepathischem Fluss mit J-Swifts meisterhaften Beats, vom Jazz-Piano-lastigen Opener „Oh Shti“ bis zum Underground-HipHop-Superhit „Passin’ Me By“, in dem J-Swift Jimi Hendrix’ „Are You Experienced“ mit Quincy Jones’ „Summer In The City“ verschmilzt. In dem Track beschreiben die MCs ihre ersten Lieben aus der Schulzeit und wie sie endeten. Doch nicht unbedingt melancholisch, sondern sich gegenseitig aufmunternd. Das ist ja auch eine der schönsten Sachen am Lachen, das gemeinsame. Und wenige HipHop-Alben können auch heute noch so viel gute Laune verursachen wie „Bizarre Ride II The Pharcyde“.

Veröffentlichung: 24. November 1992
Label: Delicious Vinyl

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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