11.11.: Alt und Neu, getrennt und wieder vereint


„Facebook ist Selbstprostitution“, so Ernst Pöppel, Professor für Medizinische Psychologie im Gespräch mit der FAZ. Die Plattform sei mehr ein Medium der Inszenierung der eigenen Person, denn ein Kommunikationsmittel. Andererseits bediene es auch stark die Gier des Menschen nach Information, die jedoch zumeist nur durch einen hindurchliefen ohne verarbeitet zu werden. Dieser ständige Input verursache kein Wissen sondern vornehmlich Stress. Auch die überall geforderte Fähigkeit zum „Multitasking“ hält Pöppel für groben Unfug. Wir stürzten uns in eine extreme Form der Überforderung und wüssten am Ende des Tages gar nicht mehr, was wir gemacht haben. Er kann der multimedialen Welt aber auch positive Aspekte abgewinnen, denn durch die Komplementarität von Text und Bild sei eine stärkere Verankerung von Wissen möglich. Man müsse sich aber gegen die negativen Effekte wehren.

Vor Negativeffekten aus dem Westen versuchte der Musikapparat der DDR seine Bürger zu bewahren.
„Jugendtanzmusik“ – so hieß in der DDR offiziell, was heute als „Ost-Rock“ in den Charts und auf den Bühnen ein großes Revival erlebt. Über einen Abend im Berliner Brecht-Haus berichtet die taz, an dem Pop-Literat und Musikwissenschaftler Thomas Meinecke über vier Jahrzehnte Pop- und Undergroundkultur im Osten plauderten. Dabei wurde das nostalgische Bild vom Ost-Rock als Subkultur weitgehend revidiert. Mit der „Aktion Rhythmus“ wurde den Einflüssen der Jugendkultur aus dem Westen entgegengesteuert, in dem man die Musik von dort einfach kopierte. Bald gab es zu jeder westlichen Band ein Äquivalent im Osten, alle natürlich unter Stasi-Kontrolle. Wer sich textlich zu weit aus dem Fenster lehnte wurde drangsaliert, verboten oder eingekerkert. Wenn auch die Musikproduktion weitgehend eingeschränkt war, was ein Musiker auf der Bühne sagte, ließ sich nicht vorab steuern. Dementsprechend groß war auch die Angst des Staates vor Liveauftritten. Ende der 80er spielte aber auch das keine Rolle mehr. Fast alles wurde von den Behörden durchgewunken.

Eindeutig im Bereich Subkultur einzuordnen, wenn auch nicht musikalisch sondern vielmehr graphisch, ist Princess Hijab.
„Hijabisation“ nennt sie ihre Kunst und macht im Prinzip nichts anderes als in Banksy-Streetart-Manier Frauen auf Pariser Werbeplakaten einen schwarzen Schleier aufzumalen. Gerade im säkularen Frankreich, in dem per Gesetz jegliche Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit verboten ist, bedeutet dies mehr als einen bloßen visuellen Gag.
Mittlerweile wird Princess Hijab von New York bis Berlin ausgestellt und hat heftige Debatten über Feminismus und Fundamentalismus provoziert. Dabei ist der Prinzessin Identität nach wie vor unbekannt, Angelique Chrisafis hat für den Guardian die Künstlerin getroffen. Dazu gibt’s auch eine Fotostrecke mit Princess Hijabs Werken.

Ebenfalls im Guardian ist über Sinn und Unsinn von Band-Reunions nachzulesen. War Wiedervereinigung Anfang der 90er noch ein absolutes „Don’t“, zumindest für legendäre Bands, scheinen zur Zeit alle Dämme zu brechen. Pulp beispielsweise haben diese Woche eine neue Tour angekündigt.
Einen „Fünf-Punkte Plan“ für alle Bands, die nun an ein etwaiges Comeback denken, hat Guardian Schreiber Tom Ewing erstellt. Erstens: Macht es wie Take That und präsentiert jede Reunion als neues Kapitel
Zweitens: Beachtet, dass die Fans von damals erwachsen geworden sind. Versucht nicht, wie die Spice Girls, zu behaupten alles sei gleich geblieben. Zu weit würde es führen an dieser Stelle alle Punkte aufzuzählen. Ganz zu Schluss des Artikels wird noch die finanzielle Motivation für ein Comeback erwähnt. Nicht selten spielen die alten Hasen von gestern heute deutlich mehr Geld ein als damals. Ob das auch bei Pulp so laufen wird? Ihre „Hits Collection“ von 2002– oft der Schlussstein einer erfolgreichen Karriere – hat es nicht einmal in die UK-Top 40 geschafft.

Auch Bryan Ferry konnte einer Wiedervereinigung von Roxy Music 2001 nicht widerstehen.
Aber er will mit Stil und Geschmack altern. Vermutlich würde er lieber sterben als langweilig zu werden, vermutet der Freitag in einer Abhandlung über das Imageproblem von Altstars. Zwangsjugend vs. gediegene Wampe lautet die Frage, Madonna vs Morrissey. Und zwischendrin räkelt sich Kate Moss auf dem Cover von Bryan Ferrys neuem Album „Olympia“.

Altes mit Neuem, Klassik trifft Pop. Die Kollaboration der beiden Genres als das neue große Ding sagt MercuryNews voraus und gibt eine Menge Beispiele von Sinfonieorchestern, die sich in den nächsten Monaten mit altbekannten aber auch weniger Bekannten Performern neuer Musik vereinigen werden.

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