Lang lebe King Tubby!

Am 28.01.2011 wäre Osbourne Ruddock 70 Jahre alt geworden. Doch der Mann, den die Welt besser als King Tubby kennt, wurde nur 48 Jahre und neun Tage alt. Ein ungeklärter Mord beendete 1989 das Leben des einflussreichen jamaikanischen Produzenten. Zu jener Zeit hatte sich Tubby gerade daran gemacht, den digitalisierten Dancehall-Tagen seinen Stempel aufzudrücken. Die Konkurrenz kannte er bestens: Der dominante Macher des Dancehall in den 80ern, King Jammy, war einst Tubbys Assistent gewesen. Aber das war ein Jahrzehnt zuvor.

Die Blütezeit des King Tubby kann man zwischen 1974 und dem Ende der 70er ansetzen. Er war zwar schon vorher einige Jahre gut im Geschäft, aber Anfang der 70er wurde Tubby zur Berühmtheit. Mit dem Album-Meilenstein „Blackboard Jungle Dub“, den Tubby zusammen mit Lee Perry 1973/74 produzierte, begann die Ära der jamaikanischen Dub-Alben. Dub war zur eigenständigen Kunstform geworden.
Der Weg dorthin führte über Instrumental-Versionen der neuesten Hits, die die Betreiber der allzeit populären Soundsystems in Jamaika direkt in den Tonstudios orderten, um Musik zu haben, über die die Soundsystem MCs ihre Zeremonienmeister-Ansagen machen konnten. Tubby, der als Fernseh- und Radiotechniker über Reparaturarbeiten in die Musikszene gekommen war, wurde Ende der 60er zum Engineer für Duke Reids Treasure Isle Label, wo er solche Dubplates, Unikate also, zu fabrizieren hatte.

Bald begann der experimentierfreudige Tubby mit dem Material zu spielen und machte sich selbständig als Produzent, Mixer, Soundsystem- und Labelbetreiber. Die Dubs wurden immer ausgefeilter. Es wurden Spuren ausgeblendet, Sounds verstärkt, Filter und andere Effekte eingesetzt, die Technik nicht selten selbstgebaut von Tubby persönlich. Mit der Technologie veränderte sich die Musik. Oft ergänzte Tubby die Originalspuren um zusätzliche Sounds, beispielsweise Sirenen, Testtöne oder den Sound, den ein Hallgerät macht, wenn man mit der Faust drauf haut.

Neben den immer populärer werdenden novelty sounds des Dub brachte Tubby auch als einer der ersten Platten der Soundsystem MCs heraus. Die Deejays, wie sie in Jamaika hießen, und der Toasting-Stil ihrer Voice-Overs wurden ebenfalls zum Erfolgskonzept und zu einer der Wurzeln des HipHop.

In den 70ern arbeitete Tubby in seinem eigenen Studio für die eigenen Labels und so ziemlich jeden namhaften Produzenten der Insel. Neben Lee Perry, Niney The Observer, Yabby You, Harry Mundie und Augustus Pablo war es vor allem Bunny Lee, dessen Produktionen von Tubby zuhauf in neue Versionen umgemixt wurden.
Es wurde im Akkord gemixt und released. Unter Tubbys Händen verwandelten sich die Aufnahmen der Aggrovators, der Upsetters, der Skatalites und der diversen Studiobands in neue, radikal veränderte Versionen.
Oftmals wurde live in einem Take gemixt. Es gab keine Fader-Automation, keine Speichermöglichkeiten für Pulteinstellungen und derlei. Tubby musste sich seine ersten Fader seinerzeit selber bauen, weil er eleganter Spuren rein- und rausmixen wollte, als sie nur durch Knopfdruck ein– oder auszuschalten. Tubbys Handhabung des Mischpults wird vielfach mit der Virtuosität und Improvisationsgabe eines Jazzmusikers verglichen.

„The Roots Of Dub“ und „Dub From The Roots“ waren zwei Alben, die Tubby 1974 unter eigenem Namen herausbrachte. Der Produzent als Künstler, das Studio als Instrument – damit nahm Tubby vorweg, was in späteren Tagen zum Usus werden sollte, in manchen Musikgenres der Gegenwart sogar zum Regelfall. Tubbys Rolle in der Erweiterung des popmusikalischen Vokabulars ist nicht zu unterschätzen.
Als sich Tubby 1980 für einige Zeit aus dem Produktionsgeschäft zurück zog, weil in Jamaika der klassische Dub-Sound aus der Mode gekommen war, hatte seine „Erfindung“ längst den Rest der Welt erobert. Punks und Post-Punks betraten fasziniert den Klangraum, den Tubby geöffnet hatte. Die Idee des Remixes, die seit den Disco-Tagen bis zur Gegenwart die elektronische Musik und die Clubmusikgenres prägt, schuldet viel dem Vorbild des permanenten Dekonstruierens und Wiederaufbauens im Dub. Effektlastige Genres wie Trip-Hop haben Tubbys Mut zur klanglichen Lücke übernommen.

King Tubby, zu dessen Schülern neben King Jammy auch der legendäre Scientist gehört, ist eine der zentralen Figuren der jamaikanische Musikgeschichte.
Zur hörbaren Vertiefung seien hier die Wiederveröffentlichungen und Zusammenstellungen von King Tubby auf Qualitätslabels wie Moll Selekta, Blood&Fire, Pressure Sounds und Jamaican Recordings besonders empfohlen.

Christian Tjaben zollt King Tubby am 26.01. um 23 Uhr einen bescheidenen, weil nur 60-minütigen Tribut, in einer Ausgabe der School Of Rock.

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Diskussionen

0 Comments
  1. posted by
    28.01.: Die Welt gefangen im (Inter)Netz : ByteFM Magazin
    Jan 28, 2011 Reply

    […] Dub-Sounds. 1989 wurde King Tubby in Kingston erschossen. Christian Tjaben zollt in seinem Artikel “Lang lebe King Tubby!” dem Musiker einen bescheidenen Tribut. Seine Sendung zum Thema könnt Ihr hier im ByteFM Archiv […]

  2. posted by
    Dub erstellen!
    Mai 6, 2011 Reply

    […] […]

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