Roskilde Festival: Freitag

Von Götz Adler, 2. Juli 2011

©Jacob Dinesen
©Jacob Dinesen/Roskilde Festival

Der Blick auf das Programm des zweiten. Tages des Roskilde-Festivalprogramms verspricht einen hochklassigst besetzten Marathonlauf. Start um zwölf Uhr mittags, Programmende um vier Uhr, wir sind gespannt, ob unsere Kondition bis zum Schluss reicht. Das Wetter spielt auf jeden Fall mit. Optimales Open-Air-Wetter ohne Sonne, Wind und Regen, also bleiben Sonnencreme und Regencape im Zelt.

Vielversprechend schaut und tönt der Start auf dem für die mittägliche Uhrzeit extrem gut besuchten Konzert der Bright Eyes. Das Stageacting des einst eher introvertierten Indie-Folkers Conor Oberst, bei dem das Leiden in der Stimme immer so sympathisch klingt, spricht mittlerweile die souveräne Sprache eines Popstars. Wir verweilen dort aber nur kurz, um einen der Hipster des Jahres nicht zu verpassen. Wie wird der junge Amerikaner Nicolas Jaar sein tolles impressionistisches Album „Space Is Only Noise“ live umsetzen? Als Quartett und mit einem Saxophonisten an Bord betonen Jaar & Co clevererweise die rhythmischen Aspekte und sind auch gegenüber improvisierten Parts aufgeschlossen, der manchmal introvertierte Charakter des Albums verliert live aber leider ein wenig seine Nuancen.

Auch ein paar deutsche Acts sind zugegen, alle am Freitag. Chuckamuck müssen wir leider ausfallen lassen, viel später wird DJ Koze trotz technischer Probleme das Cosmopol mit seinem DJ-Set in Ekstase versetzen, am Nachmittag lassen die Berliner Beatsteaks nichts anbrennen und überzeugen das bei weitem nicht nur aus deutschen Touristenfans bestehende Publikum gut gelaunt mit ihrer Open-Air-tauglichen Mixtur aus Punkrock, Ska und Alternativerock.

Auf der Orange-Stage, der größten und ältesten Bühne von Roskilde, können wir uns von der relativ hohen Popularität der Raveonettes in ihrer Heimat überzeugen – trotz ihres von Phil Spector und Shoegazer beeinflussten Pop-Sounds abseits der Mainstreams. Auf Dauer ermüden die einfach gestrickten Songs von Sharin Foo und Sune Wagner dann aber doch schneller als erwartet.

©Steffen Jørgensen
©Steffen Jørgensen/Roskilde Festival

Es gibt stilistisch viele Pfade, die man im Roskilde-Programm gehen kann, der Metal-Fan bekommt genauso vielfach Hochprozentiges geboten wie Liebhaber afrikanischer Musik. Seun Anikulapo und Femi Kuti, die beiden Söhne von Fela Kuti, des lange verstorbenen Godfather des Afrobeats, führen in einem Doppelkonzert die Tradition ihres Vaters fort. Jeweils 15 Musiker sind bei den jeweils begleitenden Bands Egypt 80 und Positive Force auf der Bühne, neben fünf Bläsern und vier Percussionisten auch immer zwei bis drei Damen, die ihren Allerwertesten genauso schnell und gut schütteln können wie sie Background singen. Das alleine ist aber nicht die Ursache, warum die ByteFM-Indienerds Ziegelmüller und Adler in Tanzekstase geraten – vor allem bei dem hypnotischen, formidablen Set von Seun Kuti +Egypt 80.

Nach der unvermeidlichen Nahrungsaufnahme und einer kurzen Verschnaufpause besuchen wir die neueste Bühne auf Roskilde, eine komplette Indoor-Stage names „Gloria“ und treffen dort auf einen weiteren der diesjährigen Hipster, den jungen Tom Krell alias How to Dress Well, und erleben mehr spukige R&B-Performance als Konzert im Halblicht zu geisterhaften Schwarz-Weiß-Videos in dieser kirchenartigen Location. Die ideale Einstimmung für eines der Highlights des Tages, die ehrwürdigen Portishead. Der erste Ton und der erste Schauer jagen sofort über den Rücken. Mit einem sich über alle drei Alben erstreckenden Set ist man einmal mehr erstaunt, wie es diese berührende, dem Mainstream abgewendete Musik vor ein solch großes Publikum schaffen konnte. Leichte technische Probleme umschiffen Beth Gibbons, Geoff Barrow & Co gekonnt und lässig und hinterlassen mit ihrem intensiven Sound massenweise glückliche Gesichter.

Obwohl es Mitternacht ist und die Füße schon müde gestanden sind, warten aber noch weitere Acts, die man zumindest kurz sehen möchte. Zum Beispiel die kleine Dame mit der großen Stimme, die Britin Anna Calvi, die eines der überraschendsten Debüts des Jahres auf Domino abgeliefert hat. Calvi besitzt trotz geringer Größe eine massive Bühnenpräsenz und zusammen mit zwei zwei weiteren Musikern kann sie auch nach so langem Tag unsere Aufmerksamkeit bannen.

©Christian Hjorth
©Christian Hjorth/Roskilde Festival

Anstrengender, aber auch aufregend wird es dann nochmal um ein Uhr nachts auf der großen Bühne. Dicht gedrängt stehen 60.000 und warten eine Viertelstunde auf den Beginn des Konzertes von Mathangi „Maza“ Arulpragsam, besser bekannt als M.I.A. Die Tochter eines politischen Aktivisten aus Sri Lanka peitscht zu später Stunde nochmal richtig ein mit ihrem von Gewehrsounds durchsetzten Stücken, mit Gesang und Performance zu den per mehr oder weniger Playback eingespielten Songs, mit wenig ergänzenden Musikern auf der Bühne (eine Schlagzeugerin und eine Drummerin), ein paar tollen Tanzdarbietungen und massiver Light- und Videoshow. Die Rockpuristen fühlen sich eher verarscht, die dreckige Mixtur aus Grime, Electronic, Bollywoodsounds und HipHop im grellen, die Sinne verwirrenden multimedialen Feuerwerk ist aber genau richtig für diejenigen, die den ganzen Abend auf ein Tanzerlebnis gewartet haben und denen der Portishead-Sound zu langsam war.

Danach kann nicht mehr viel kommen. Die Franzosen Dop können mit ihrem lasziven Electro-House im benachbarten Zelt die endgültig den Körper ergreifende Müdigkeit da auch nicht mehr abschütteln. Die Show ist over, wir wanken zum Zeltplatz und träumen von den vielfältigen Konzerten dieses Tages in einer regnerischen Nacht.

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