Neue Platten: The Megaphonic Thrift – "The Megaphonic Thrift"

(Club AC30)(Club AC30)

9,0

Das Debütalbum „Decay Decoy“ von The Megaphonic Thrift war in Norwegen, dem Heimatland der vier Bandmitglieder, längst veröffentlicht, als es vor einem Jahr endlich auch den Rest der Welt erreichte. Und obwohl es also streng genommen nicht dem Jahr 2011 zuzuordnen ist, gehört es für den Verfasser dieser Zeilen dennoch zu den drei besten Alben des letzten Jahres. Der nach der Band betitelte Nachfolger bleibt nun erfreulicherweise nicht nur zunächst den Norwegern vorbehalten, sondern ist beinahe zeitgleich auch bei uns erschienen.

Sind die Songs auf „Decay Decoy“ doch recht stark von Anklängen an die New Yorker Band Sonic Youth geprägt (was ihnen sicherlich nicht schadet), so haben Richard Myklebust (Gitarre, Gesang), Linn Frøkedal (Bass, Gesang), Njål Clementsen (Gitarre) und Fredrik Vogsborg (Schlagzeug) ihre Musik auf „The Megaphonic Thrift“ nun spürbar offener gestaltet. Auch wenn nach wie vor einzelne Gitarrensounds Sonic Youth’scher Prägung vorhanden sind, spannen die Referenzen, welche die Gedanken beim Hören dieser vierzigminütigen Tour de Force streifen, den Bogen von My Bloody Valentine über landsmännische Bands wie Serena-Maneesh oder The Low Frequency In Stereo (zu deren Line-up Frøkedal und Clementsen ebenfalls gehören) bis hin zu Autolux. Dieser Eindruck ist bitte nicht misszuverstehen – The Megaphonic Thrift haben kein Identitätsproblem. Obwohl sich das zweite Album anders anhört als „Decay Decoy“, besteht dennoch zu keinem Zeitpunkt ein Zweifel, dass hier dieselbe Band zu Werke geht. Erneut offenbart das Quartett seine unbändige Spielfreude, erneut findet es die richtige Balance zwischen unwiderstehlichen Melodien und lärmenden Gitarren, diesmal allerdings mit einer deutlich psychedelischeren Note.

The Megaphonic Thrift haben nicht nur gute Songtitel (beispielsweise „Tune Your Mind“ oder „Kill, Breathe And Frown“), sie haben vor allem gute Songs. Diese leben von ihrer enormen Energie und Abwechslung. In „Fire Walk With Everyone“ gibt es die an Sonic Youth erinnernden Gitarren, Richard Myklebust singt dazu lakonisch, Linn Frøkedal hingegen lieblich und melodiös, und zwischendurch gibt es einen kleinen Stimmungswechsel mit einem faszinierenden Broken-Social-Scene-Moment. „Broken Glass/Yellow Fingers“ ist eine mit allerlei elektronischen Geräuschen gespickte psychedelische Schönheit und paart ein tolles, stolperndes Schlagzeug mit wunderbarem Gesang. Ein nach etwa vier Minuten einsetzendes neues Gitarren-Thema zeigt zudem, dass The Megaphonic Thrift ihre Songs auf einer einmal gefundenen Basis nicht einfach sich selbst überlassen, sondern deren Entwicklung fokussiert vorantreiben. Dabei kann die Band durchaus auch gnadenlos direkt sein. Das fantastische „The Guillotine“ ist mit seinen kaskadierenden und dabei herrlich angeschrägten Gitarrensounds ein schönes Beispiel für diese Art konsequenter Kompromisslosigkeit.

Gegen derart viel Energie haben die langsameren und ruhigeren Songs „I Wanted You To Know“ und „Over The Mountain, Down In A Teaspoon“ einen schweren Stand und können ihre unbestreitbar vorhandenen Qualitäten nicht hinreichend zur Geltung bringen. Immerhin bieten sie zwischendurch Gelegenheit zum Durchschnaufen. Dies gilt definitv auch für das hübsche „Spaced Out“. Der von Linn Frøkedal gesungene Song klingt tatsächlich so, wie es sein Titel ausdrückt, und er schafft dem Hörer zum Ende des Albums den Raum, wieder ein wenig herunterzukommen. Was übrigens nicht verhindert, dass man sofort wieder den nächsten Durchgang startet.

Die Qualität des aktuellen Longplayers steht der seines Vorgängers „Decay Decoy“ in nichts nach, und mit diesen zwei erstklassigen ersten Alben sind The Megaphonic Thrift augenblicklich die coolste Band aus Skandinavien.

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