Neue Platten: Otto Von Schirach – "Supermeng"

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7,2

Otto von Schirach! Wer ist eigentlich dieser Otto von Schirach? Ein abgedrehter Breakcore-Nerd? Ein zukunftsweisendes Genie? Ein Wesen von einer anderen Welt, dessen kreative Kraft und Aussage erst noch verstanden werden muss? Oder doch nur ein hyperaktiver Typ, dem es schnell langweilig wird?

Die Frage kommt relativ schnell auf, hat man das Album einmal durchlaufen lassen oder auch nur die ersten zwei Tracks gehört. Um uns der Antwort vorher schon einmal anzunähern: Laut diverser Informationen sei seine Oma, als er noch ein Kind war, eine Anhängerin der Santería (eine afroamerikanische Religion mit Elementen aus dem Katholizismus, dem Spiritismus und der Esoterik) gewesen, praktizierte Weiße Magie und übernatürliche Künste. So wurde auch von Schirach in die Welt des Paranormalen und der Magie eingeführt.

Das macht sich auch in seiner Musik bemerkbar: Nachdem er es auf seinem 2009er Album „Magic Triangle“ mit Zombies und Aliens zu tun hatte, kehrt Otto von Schirach auf seiner achten Platte als „Supermeng“ zurück. Als genetisch veränderter Übermensch, als Alter Ego quasi, der übermenschliche Fähigkeiten einsetzt, um Musik zu produzieren, die unsere Welt sowie auch andere Galaxien von den außerirdischen, als Mensch verkleideten Annunaki-Reptilien zu befreien. So wurde von Schirach in Laboratorien von einer Gruppe Aliens auf diesen Kampf vorbereitet und über die Jahre mit immer größeren Kräften, Weisheit und absoluter Angstfreiheit hochgezüchtet.

Der Opener „Salpica (Miami)“ stiftet erst einmal Verwirrung. Eine Melange aus „Push It“ von Salt ’n’ Pepa und Elementen von Bonde do Rolê gepaart mit dilettantischem HipHop. Die satten Beats und der eigensinnige Humor Otto von Schirachs sorgen für ein Lächeln. Strand, Cocktails und die nächste Party scheinen nicht weit. Doch entwickelt sich dieser beschwingte Spaziergang am Strand schnell zu einem abenteuerlichen Videospiel mit ungeahnten Ausmaßen, Geschwindigkeits- und Schwierigkeitsstufen: Angenehme 80er-HipHop-Momente, unberechenbare Nintendo- und Synthie-Rätsel, fiese Dubstep-/Breakcore-Fallen und Elemente, die die Aufmerksamkeit davonrasen lassen wie Sonic in seiner Hochphase. Die verschiedenen Vocals wie „Zombie“ oder „You Got A Supermeng“ warnen und geben Anhaltspunkte, um den Überblick zu behalten – das ist jedoch auf gesamter Strecke unmöglich. Entweder man verliert die Lust oder den roten Faden.

Ein fieser Mix aus Noise, Old-School-HipHop, IDM, Dubstep, House und Breakbeat ist zuweilen recht spannend und pushend, oft jedoch chaotisch und verstörend. Bin ich nun Supermeng oder doch das Annunaki-Reptil, das zerstört werden soll? Kontrollverlust oder Größenwahn? Oder ist doch alles eins? Grenzen verschwimmen und lösen sich ganz auf. Versunken im Genredickicht ist der Verstand vernebelt, vielleicht auch mit ungeahnten Fähigkeiten ausgestattet. Doch gibt das Album keine Zeit darüber nachzudenken, denn schon wartet das nächste Lasergefecht oder eine Basslawine, die den Boden unter den Füßen wegreißt.

Das gesamte Album durchzuspielen kostet Kraft, die Titel zu dosieren ist das Geheimnis. Erst dann entfaltet Otto von Schirach die Kraft, die dem Sound Charakter verleiht. Im Gesamtkonzept gehen die meisten Details unter und das ist schade. Es trifft Genialität auf Wahnsinn und wird leider auf die Spitze getrieben. Man kann das Album mit einer Droge vergleichen, führt man sich den gesamten Stoff ein, kommt es schnell zu einer Überdosierung und verliert die Lust auf ein zweites Mal. Gönnt man sich Pausen und dosiert es, winkt als Belohnung ein musikalischer Trip, der keineswegs unterfordert und nur mäßig überfordert. Die Überdosis hingegen strengt an oder langweilt.

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