Neue Platten: Samantha Crain – „Under Branch & Thorn & Tree“

Cover des Albums Under Branch & Thorn & Tree von Samantha CrainSamantha Crain – „Under Branch & Thorn & Tree“ (Full Time Hobby)

6,0

Wenn junge Stimmen „I’ve been drinking away all my money“ singen, mag man denken, da kokettiert jemand mit dem Schicksal eines Gebrochenen, ohne dessen Leid jemals geteilt zu haben. Wenn Samantha Crain diese Worte singt, singt sie in der Tat nicht von sich, aber sie bringt die Zeile so direkt und schnörkellos herüber, dass nicht von Kokettieren die Rede sein kann. Auf ihrem vierten Album „Under Branch & Thorn & Three“ hat die US-amerikanische Musikerin den Blick ins Innere ausgespart und den Menschen um sich herum zugehört.

Ein vielseitiges Porträt der 99 Prozent, der Arbeiterklasse, will Crain mit ihrer neuen Platte schaffen. Eine Sammlung von Protestsongs, die keine Köpfe einschlagen, sondern leise und beharrlich anklagen, und manchmal auch einfach von Liebe handeln. So wie „If I Had A Dollar“, in dem lang gezogene, flirrende Töne eine gespenstische Atmosphäre um die trockene Akustikgitarre bauen. Das Lied handelt von der Erkenntnis, dass Geld keinen Schmerz tilgen kann: „I could buy myself a house / I could get myself a car / Have all the tea in china / Smoke the best Cuban cigars / Go to all the parties / Where they bring their silver spoon / Oh if I had a dollar / For every minute I’m missing you“.

Die Klangwelt von Samantha Crain ist geerdet, sie knüpft an die US-amerikanischen Folktraditionen an. An die Heldinnen und Helden der 28-jährigen Musikerin wie Crosby, Stills, Nash & Young und Joni Mitchell, aber auch jüngere Einflüsse wie Aimee Mann und Jason Molina. Wie schon beim Vorgänger „Kid Face“ ließ Crain ihren Kollegen John Vanderslice bei „Under Branch & Thorn & Tree“ an die Regler. Der holte aus einem strikt analogen Set-up eine brillante High-Fi-Produktion heraus. Vom ersten aufgenommenen Ton bis zur gepressten Platte kamen die zehn Lieder mit keinem Computer in Berührung.

Und so klingt „Under Branch & Thorn & Three“ ganz unmittelbar, die gezupften Saiten greifbar nah. Zwischen die ruhige, meist melancholische Stimmung schleicht sich einmal eine Country-Nummer, „Big Rock“, sonst bleiben die großen Überraschungen aus. Für eine angenehme Abwechslung sorgen teils Synths („Killer“) und Streicher („Elk City“, „Outside The Pale“). Ansonsten hat Samantha Crain ihr neues Album mit wohltuendem, traditionell arrangiertem, fragilem und berührendem Akustik-Folk gefüllt.

Label: Full Time Hobby
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