Der ewig mies gelaunte Fels in der Brandung: Mark E. Smith
Die große Radio-Legende und professionelle Zitate-Maschine John Peel fasste einst die Essenz der unglaublich vielseitigen Band The Fall in fünf Worten zusammen: „Always different, always the same.“ Wenige Gruppen konnten in ihrer Karriere solch einen hohen MitgliederInnen-Verschleiß vorweisen wie The Fall: 42 Jahre Bandgeschichte, über 60 MusikerInnen. Die einzige Konstante: Mark E. Smith, der ewig mies gelaunte Fels in der Brandung einer der wichtigsten Post-Punk-Bands aller Zeiten. Am vergangenen Mittwoch ist er im Alter von 60 Jahren gestorben.
Anlässlich des Todes von Mark E. Smith und der notorischen Unzugänglichkeit seiner Band wagen wir hier den Versuch eines musikalische Querschnitts: sieben Songs, die die zahlreichen Facetten von The Fall darstellen. Da es nahezu unmöglich ist, mit nur wenigen Stücken dieser gigantischen Diskografie gerecht zu werden, fragen wir Euch:
Welche Songs fehlen hier? Was sind Eure Lieblinge?
Egal ob B-Seite, Deep-Cut oder Hit: Kommentiert unter diesem Beitrag Eure definitiven Songs von und mit Mark E. Smith.
Eure Wünsche spielt Dirk Böhme (Verstärker) dann am 29. Januar von 15 bis 17 Uhr in einem Freispiel.
Der Anfang: „Repetition“ (1978)
Am 11. August 1978 erschien „Bingo-Master‘s Break Out!“, die erste EP von The Fall. Auf der B-Seite lauerte „Repetition“: Ein Song, der gleichzeitig ein Manifest ist. Smith spricht all die Töchter und Söhne direkt an, die die ganze „fancy“ Pop-Musik im Radio nicht mehr ertragen können – und liefert seinen eigenen Gegenentwurf: „We dig repetition in the music / And we‘re never gonna loose it“. Ein Credo, dem die Band bis zuletzt geblieben ist.
Britische Groteske: „New Face In Hell“ (1980)
Von den ersten drei Alben „Live At The Witch Trials“, „Dragnet“ und „Grotesque: After The Gramm“ ist es dieser Song, der das unheimliche Selbstbewusstsein dieser jungen Band am besten zusammenfasst. Die Rhythmusgruppe aus den Brüdern Paul und Steve Hanley tanzt einen zappligen Rockabilly-Groove, Smith schreit den Refrain in hysterischer Kopfstimme und über allem lacht ein schräges Kazoo das verstörte Publikum aus. Außerdem sind Smiths ausgespuckte Zungenbrecher in absoluter Höchstform: „Wireless enthusiast intercepts government secret radio band and uncovers secrets and scandals of deceitful type proportions.“
„Hey there, fuckface!“: „The Classical“ (1982)
Als im Jahr 1981 Karl Burns als zweiter Drummer in die Band einstieg, formte sich eines der druckvollsten The-Fall-Line-ups. Die beiden gleichzeitig spielenden Schlagzeuger gaben Alben wie „Perverted By Language“ und „Hex Enduction Hour“ eine neue, brutale Wucht – sehr gut zu hören auf „The Classical“, dem Eröffnungsstück vom letzteren. Smith peitscht die Band als tyrannischer Ringdompteur in neue Höhen.
The Mighty Fall: „Lay Of The Land“ (1984)
… und auch auf „Lay Of The Land“ vom siebten Langspieler „The Wonderful And Frightening World Of The Fall“ lässt sich die Macht der Zwei-Schlagzeuger-Ära spüren. Dieser Song nimmt keine Gefangenen, der Beat überrollt einen wie eine Dampfwalze.
Die Brix-Ära: „Cruisers Creek“ (1985)
1982 trat Smiths Freundin (und später Ehefrau) Brix Smith als Gitarristin in die Band ein, und brachte eine frische Pop-Sensibilität mit sich. Plötzlich hatten The-Fall-Songs Hooks und Melodien, wie zum Beispiel bei „Cruiser‘s Creek“: Brixs Gitarre tanzt hier fast schon elegante Linien um Smiths Wortkaskaden. Bis zu ihrem Ausstieg im Jahr 1989 entstanden einige der besten Alben dieser Band, wie zum Beispiel „This Nation‘s Saving Grace“ und „The Frenz Experiment“.
Madchester und Drum‘n‘Bass: „The Quartet Of Doc Shanley“ (1997)
Die 1990er-Jahre waren eine schwierige Zeit für The Fall. Zum Beginn der Dekade flirtete Smith auf dem Album „Extricate“ mit dem elektronischen Madchester-Sound der Happy Mondays, mit mäßigem Erfolg. Erst im Jahr 1997 gelang ihm eine wirklich interessante Fusion von The Fall und Electronica: „Levitate“, eine gleichermaßen bizarre wie faszinierende Platte. Stücke wie „The Quartet Of Doc Shanley“ pendeln zwischen Post-Punk-Basslines und Drum‘n‘Bass-Beats. Doch Smith lässt sich in diesem seltsamen Duett mit der Keyboarderin Julia Nagle nicht aus der Ruhe bringen und murmelt selbstbewusst wie eh und je in den elektronischen Äther.
Don‘t call it a comeback: „O.F.Y.C. Showcase“ (2010)
Als im Jahr 2010 „Your Future Our Clutter“ erschien, konnte man wohl kaum von einem Comeback sprechen. The Fall waren ja nie weg. Alleine zwischen diesem Album und „Levitate“ sind sieben Langspieler erschienen. Doch auf „Your Future Our Clutter“ – und ganz speziell im ersten Song „O.F.Y.C. Showcase“ – fühlte sich diese Band und Mark E. Smith zum ersten Mal seit den 1980er-Jahren wieder so kontrolliert chaotisch und gefährlich wie in ihren Anfangstagen an. „Always different, always the same“, indeed.
Diskussionen
17 KommentareIngo Claaßen
Jan 25, 2018The Fall – Creep
Ingo Claaßen
Jan 25, 2018Mein WunschTitel zur Sendung: The Fall – Creep
Olaf
Jan 25, 2018Trauer! Tiefe Trauer!
achim
Jan 25, 2018natürlich:
marquis cha cha
live at the witch trials
creep
hip priest
room to live
danke für die sendung
achim
Jan 25, 2018oh je, das wichtigste vergessen:
that man
Lars
Jan 25, 2018Spoiled Victorian Child
Peter / Collocationist
Jan 25, 2018Natürlich:
How I Wrote Elastic Man
Mr Pharmacist
Rowche Rumble
Hey Student
Theme from Sparta FC
Und:
„Tauben vergiften“ vom bösen Kreisler + „Herr Karl“ vom noch miesepetrigeren Kwaltinger + den „Jesus-Schrei-Monolog“ aus der Deutschlandhalle selig vom vollends durchgedrehten Kinski: 3 K und ein Smith, die endgültige Pokerrunde from Hell …
Hartmut
Jan 25, 2018auf jeden Fall: „The Classical!“
und vielleicht auch noch „Victoria“
Carsten
Jan 25, 2018Ride away
30 Jahre Wegbegleiter, rip…
Rhetormusic
Jan 26, 2018Free Range
Bremen Nacht
I‘am Damo Suzuki
Bury
Wahrscheinlich steht uns nun die Wiederentdeckung der Fall bevor – nur schade dass Interpreten dafür erst sterben müssen #ripmarke
wf
Jan 26, 2018An older lover etc.
Container Drivers
The NWRA
Psycho Mafia
Ed
Jan 26, 2018R.I.P. Mark E. Smith.
Der alte Haudegen wird uns fehlen.
Seine Songs leben weiter:
– Hit the North
– Big New Prinz
– Bill Is Dead
cle
Jan 26, 2018I am Damo Suzuki 😉
Sebastian
Jan 26, 2018Frightened, Smile, Petty (Thief) Lout, The Steak Place, You Haven’t Found It Yet, Hostile, Reformation und natürlich auch
Your Heart Out, Leave the Capital, Wings, R.O.D., It’s A Curse, Dr. Buck’s Letter, New Facts Emerge und natürlich auch
Hip Priest, Hexen Definitive, Service, Feeling Numb, Reformation, Blindness, Cowboy George und natürlich auch …
Alles Unsinn, natürlich, alles alles alles muss man hören, wieder und immer wieder…und je öfter man es hört, desto schöner wird es…
Mark E. Smith will live forever!
zmindwarp
Jan 26, 2018Der allererste Song, den ich von ihnen kannte: Tempo House. In der Version, die hier zu finden ist: https://www.discogs.com/Various-Speed-Trials/release/381019.
Joachim
Jan 26, 2018lange nicht gehört, aber nie vergessen: „No Xmas for John Quays“, „A Figure Walks“, „Muzorewi’s Daughter“, „Bournemouth Runner“, „Hotel Blöedel“.
Seine Songs begleiteten mich durch die „achtziger“; gibt es eigentlich Bilder auf denen Mark E. Smith lacht bzw. mal wenigstens ansatzweise lächelt?
Frett
Jan 29, 2018Von „The Unutterable“ – Dem einzigen Album welches ich höre:
-Way Round
-Cyber Insect
-Two Librans