Suuns – „Felt“ (Rezension)

Suuns – „Felt“ (Secretly Canadian)

Suuns – „Felt“ (Secretly Canadian)

7,5

Der Luftballon ist metaphorisch betrachtet ein ambivalentes Objekt. Er kann eine Leichtigkeit darstellen. Loslassen, sich treiben lassen. Doch schwebt um und mit dem Luftballon auch immer die Gefahr: Er steht unter Spannung, es herrscht Druck.

Gefühlsbilder, die ziemlich gut zum neuen Album der kanadischen Band Suuns passen, findet jedenfalls deren Gitarrist und Sänger Ben Shemie: „I like this idea of pressure, resistance and pushing against something just before it brakes.“ Auf dem Cover von „Felt“ sieht man deshalb, wie eine weiße Gipshand mit dem Zeigefinger auf einen schwarzen Luftballon drückt. Man fragt sich: Wann knallt’s?

2007 finden sich Ben Shemie, Joseph Yarmush, Liam O’Neill und Max Henry in Montreal zusammen, machen zunächst unter dem Namen Zeroes Musik, bevor sie beim Indie-Label Secretly Canadian unterschreiben. Außer Yarmush haben alle vorher Jazzmusik studiert. Es folgen, neben einer Co-Work-Platte mit der Band Jerusalem In My Heart, drei Alben mit vornehmlich experimentellen und düster wabernden, zuckenden Stücken.

Einfachen Zugang haben Suuns noch nie gewährt, das hat sich auch auf „Felt“ nicht grundlegend, aber immerhin teilweise verändert. So sind die elf Titel und 46 Minuten Musik zwar definitiv keine leichte Kost, dennoch mit einigen Blicken auf die scheinbar schwerelose Seite des Luftballons durchsetzt.

Spielerisches Ausloten der musikalischen Möglichkeiten

Etwa der Opener „Look No Further“. Zwischen einem Gitarre-Synthie-Riff aus lediglich drei Tönen und einem schleppenden Trip-Hop-Beat schwebt Shemies verhältnismäßig klarer Gesang. Anfang und Ende markiert jeweils Kirchengeläut – ein beinah klassisch arrangierter Indie-Song. Oder „Baseline“, passenderweise mit monotonem Achtel-Bassbett, könnte auch ein gemeinsames Werk von Radiohead und Caribou sein. Im Übrigen erinnert Ben Shemies Art und Weise zu singen immer wieder an die Stimme von Radiohead-Sänger Thom Yorke unterhalb des Falsetts. So auch in „Peace And Love“, in dem zum zweiten Mal auf dem Album ein kurzes Saxofon-Solo auftaucht und ein verzerrendes Element in dem sonst sehr gemäßigten Stück darstellt. Und dann ist da noch die Single „Make It Real“, der poppigste Song der Platte.

Die beunruhigend bedrohliche Seite des Luftballons repräsentieren vor allem das stickig-stampfende „After The Fall“ oder das bebende „Daydream“ mit weltverlorenem Vocoder-Gesang. Rasend, dunkel, technoid und pulssteigernd ist auch „X-ALT“, der zweite Titel auf dem Album. Musik, die irgendwie ungesund klingt.

Aber ist der Ballon schon geplatzt? Nein, und der Knall kommt auch nicht mehr. Auf „Felt“ geht es in ausgereizter Form um den Moment davor, um das spielerische Ausloten der musikalischen und harmonischen Möglichkeiten in einem vierminütigen Songgewand. Was für den einen verkopft, sperrig und wahlweise angsteinflößend oder schlicht langweilig klingt, ist für die andere eine Offenbarung.

Veröffentlichung: 2. März 2018
Label: Secretly Canadian

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