„Little Trouble Girl“ – Kim Gordon in sieben Songs

Zum 65. Geburtstag von Kim Gordon

65 Jahre zwischen No-Wave und Pop: Kim Gordon (Foto: By Bertrand from Paris, France (Route du Rock day 3//#4), CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

„What‘s it like to be a girl in a band? / I don‘t quite understand“, sang Kim Gordon auf dem letzten Album ihrer Band Sonic Youth. Diese Zeilen fassen sehr treffend das komplizierte Verhältnis der Künstlerin mit der Rockmusik zusammen. Ihre Band wurde im Jahr 1981 von Gordon, Thurston Moore und Lee Ranaldo gegründet, um eben dieses Genre zu dekonstruieren. Ihr Werkzeug: der abstrakte, stellenweise brutale New-York-No-Wave.

Für alle Zeit konnten Sonic Youth sich dem Rock jedoch nicht entziehen: Alben wie „Daydream Nation“ und „Goo“ wurden zu gefeierten Meilensteinen der Gitarrenmusik. Doch auch in ihren größten Pop-Momenten war diese Band – allen voran Gordon – immer ein bisschen schräger und ein bisschen schlauer als ihre MitstreiterInnen. 2011 zerbrach die über 25 Jahre lange Ehe von Gordon und Moore, Sonic Youth lösten sich auf. Am 28. April 2018 wird Kim Gordon 65 Jahre alt. Ein guter Anlass, einen musikalischen Querschnitt durch ihr vielfältiges Schaffen zu wagen – das auch außerhalb ihrer einflussreichen Hauptband bemerkenswert ist.

Sonic Youth – „Protect Me You“ (1983)

1983 erschien „Confusion Is Sex“, das erste Studioalbum von Sonic Youth. Der Schatten des New Yorker No-Wave-Pabstes Glenn Branca, der Ranaldo und Moore ausgebildet hatte, fällt stark auf diese neun Songs. Doch Gordons „Protect Me You“ nimmt diese abstrakte Dissonanz und verwandelt sie in ein ungemein bedrohliches Stück Noise-Rock, das in jeder Sekunde kurz vor dem Zerbersten zu sein scheint – aber gemeinerweise nie richtig explodiert.

Sonic Youth – „Shadow Of A Doubt“ (1986)

Mitte der 1980er-Jahre komplettierte Schlagzeuger Steve Shelley das finale Line-up von Sonic Youth – und die Band öffnete sich langsam in Richtung Pop. Gut nachzuhören ist dieser tiefschwarze Pop-Entwurf auf Gordons „Shadow Of A Doubt“, erschienen auf ihrem dritten Studioalbum „Evol“. Ihr flüsternder Gesang wird von Ranaldos und Moores klimpernden Gitarrentupfern umarmt – ohne dabei die paranoide Spannung ihres frühen No Waves einzubüßen. Dieser Noise-Pop sollte von Sonic Youth auf dem nachfolgenden Album „Sister“ perfektioniert werden – mit „Shadow Of A Doubt“ war Gordon ihrer Band um einiges voraus.

Ciccone Youth – „Addicted To Love“ (1989)

Es fällt leicht, „The Whitey Album“ nur als Scherz zu verstehen. Die 16 Songs, die das Sonic-Youth-Nebenprojekt Ciccone Youth Ende der 1980er-Jahre veröffentlichte, waren eine augenzwinkernde Ode an die schrille, totproduzierte Mainstream-Musik dieser Dekade. Als Teil von Ciccone Youth nahm Gordon sich Robert Palmers Käse-Pop-Hit „Addicted To Love“. Im schlimmsten Fall ist diese Version unerträglich, im besten Fall ist sie aber große Pop-Satire.

Sonic Youth – „Tunic (Song For Karen)“ (1990)

Mit ihrem sechsten Studioalbum „Goo“ waren Sonic Youth pünktlich zum Beginn der 1990er-Jahre im MTV-Mainstream angekommen: Die von Gordon geschriebene Single „Kool Thing“ landete auf Platz 7 der Billboard-Rock-Charts. Doch die Band ließ sich von dem ungewohnten Ruhm nicht aus der Ruhe bringen und schrieb einige ihrer besten Songs überhaupt. Einer davon: „Tunic (Song For Karen)“, Gordons gleichermaßen herzzerreißende wie aufwühlende Ode an Karen Carpenter. „I feel like I’m disappearing, getting smaller every day / But when I open my mouth to sing, I’m bigger in every way.“

Sonic Youth – „Little Trouble Girl“ (1995)

Im Gesamtkontext von Sonic Youth ist „Little Trouble Girl“, erschienen auf ihrem neunten Album „Washing Machine“, wahrscheinlich ein weniger essentieller Song. Trotzdem beweist er auf wunderbare Art und Weise den subversiven Humor von Kim Gordon. Im Duett mit Kim Deal (Pixies, The Breeders) dekonstruiert sie Mädchen-Pop-Klischees, begleitet von zuckersüßen Gitarrenharmonien – die genau an den richtigen Stellen Richtung Dissonanz entgleisen. Klingt wie ein Fiebertraum von Phil Spector.

Body/Head – „Actress“ (2013)

Spätestens nach dem Ende von Sonic Youth im Jahr 2011 wurde Gordon wieder von der kreativen Freiheit des No Wave eingeholt. Gemeinsam mit dem Gitarristen Bill Nace gründete sie ein Jahr später das Duo Body/Head, 2013 folgte das bisher einzige Studioalbum „Coming Apart“. Stücke wie „Actress“ sind mehr impressionistische Improvisation als Rocksong, jeder Akkord ein Pinselstrich auf der akustischen Leinwand. So frei wirkte Gordons Musik seit den 1980er-Jahren nicht mehr.

Kim Gordon – „Murdered Out“ (2016)

Nach einem Body/Head-Album, vier Langspielern mit der Supergroup Free Kitten und 15 Sonic-Youth-Platten erschien 2016 mit „Murdered Out“ die allererste offiziele Solo-Veröffentlichung von Kim Gordon. Die Single war kein Teaser auf ein kommendes Soloalbum, kein Beitrag zu einem Soundtrack, sondern einfach ein eigenständiger Song. Und was für einer: „Murdered Out“ ist mehr Kraftbeweis als Pop-Song, ein mächtiges Stück Garage-Punk – das eindrucksvoll demonstriert, dass Kim Gordon bis heute nichts von ihrem Biss verloren hat.

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