Christine McVie in sechs Songs

Christine McVie in sechs Songs

Christine McVie (Foto: By Raph_PH (BuckMcVieOhio031117-63), CC BY 2.0, via Wikimedia Commons, dieses Bild wurde digital nachbearbeitet)

Obwohl (oder gerade weil) ihre Geschichte von inneren Streitereien zerfressen ist, war Fleetwood Mac auf ihrem Zenit eine der demokratischsten Bands ihrer Zeit. Die namensgebende Rhythmusgruppe aus Mick Fleetwood und John McVie legte das Fundament, über das sich drei distinktive SongschreiberInnen und SängerInnen ausbreiten konnten: Gitarrist Lindsey Buckingham, Stevie Nicks und Christine McVie, die neben ihrer Tätigkeit als Sängerin auch das Fender Rhodes bediente. Christine McVie wird heute, am 12. Juli 2018, 75 Jahre alt.

Wir haben die fünf Jahrzente umspannende Karriere der vielseitigen Künstlerin in sechs Songs porträtiert:

Chicken Shack – „When The Train Comes Back“ (1969)

McVie wurde als Christine Perfect im britischen Dorf Bouth geboren. Als ihr Bruder John ihr im Alter von 15 Jahren ein Liederbuch mit Songs von Fats Domino schenkte, verfiel sie dem Rock‘n‘Roll. Eine Leidenschaft, die sie in ihrer ersten Band ausleben konnte: Während sie in den späten 60er-Jahren in Birmingham Kunst studierte, wurde sie Pianistin und Background-Sängerin der Blues-Rock-Band Chicken Shack. Nach und nach rückte ihre Stimme in den Vordergrund der Gruppe, 1968 landete die Band mit dem von ihr gesungenen Etta-James-Cover „I‘d Rather Go Blind“ einen Hit. In Chicken Shack konnte McVie sich aber auch als Songwriterin etablieren. Einer ihrer ersten selbstgeschriebenen Songs war das kleine Rock‘n‘Roll-Meisterstück „When The Train Comes Back“, in dem sie mit präziser Piano-Arbeit und ihrer schon im jungen Alter vom Leben gezeichnet wirkenden Stimme den frühen Blues in die damalige Gegenwart übersetzte.

Fleetwood Mac – „Show Me A Smile“ (1971)

1969 verließ Christine Perfect Chicken Shack und heiratete den Bassisten John McVie, ein Jahr später wurde sie festes Mitglied seiner Band Fleetwood Mac. Auf dem 1971er Album „Future Games“ schrieb sie zum ersten Mal Songs für die Band. Einer davon war „Show Me A Smile“: Ein Stück, das mehr an den filigranen Jazz-Folk einer Joni Mitchell erinnert, als an den konservativen Blues-Rock, den Fleetwood Mac noch wenige Jahre vorher machten. Hier zeigte McVie sich zum ersten Mal von ihrer verletzlichen, unbluesigen Seite – und schrieb dabei eine der schönsten Balladen dieser Band.

Fleetwood Mac – „Oh Daddy“ (1977)

Mit dem Einstieg von Sängerin Stevie Nicks sowie Sänger und Gitarrist Lindsey Buckingham komplettierte sich im Jahr 1974 das erfolgreichste Line-up der Band. Während das Jahrzehnt zu Ende ging, zerbröselte die Ehe von Christine und John McVie – und Fleetwood Mac nahmen ihr möglicherweise bestes Album auf: „Rumours“ beherbergt mit „Dreams“ und „The Chain“ einige ihrer besten Songs und größten Hits, die Platte verkaufte sich bis heute über 40 Millionen Mal. Trotz persönlicher Spannungen lief auch McVie als Songwriterin zur Höchstform auf und schrieb nicht nur einen der Chartsstürmer („Don‘t Stop“), sondern auch eins ihrer besten Lieder überhaupt: „Oh Daddy“, vorgetragen im schleppenden Midtempo, ist voller unaufgelöster Spannung, ein Song, der jede Sekunde zu explodieren droht – und es dann doch nicht tut. Textlich beweist McVie ihr Feingefühl für Portraits komplexer Beziehungen: In der einen Zeile heißt es noch „You’re the best thing in my life“, in der nächsten schon „If there’s been a fool around / It’s got to be me“.

Fleetwood Mac – „Brown Eyes“ (1979)

Nach dem kommerziell erfolgreichen Beziehungsdrama von „Rumours“ zeigten sich Fleetwood Mac auf dem Nachfolger „Tusk“ von ihrer experimentelleren Seite, mit vergleichsweise spartanischen Arrangements und einigen direkten Einflüssen aus der Welt des Post-Punk. Diese neuen Sounds färbten auch auf McVie ab: Ihr Beitrag „Brown Eyes“ wird von einem bedrohlichen Bossa-Nova-Groove angetrieben, der sich um ihr Fender Rhodes schlängelt. Auch auf der Textebene ist Minimalismus angesagt: Der Refrain ist wortloses Ohh-La-La, im Verlauf der viereinhalb Minuten singt sie gerade mal zehn Zeilen – doch jede einzelne von ihnen wird von ihr mit beunruhigend ruhiger Intensität aufgeladen. Und wer brauch schon Refrains, wenn man großartige Zeilen wie diese hier hat: „When you look at me with those brown eyes / What do you want to say? / And are you just another liar / Will you take me all the way?“

Fleetwood Mac – „Little Lies“ (1987)

„Little Lies“, erschienen auf dem 14. Fleetwood-Mac-Album „Tango In The Night“, ist möglicherweise einer der bekanntesten Songs der Band. Seine felsenfeste Position in 80er-Hit-Radio-Playlisten und die nicht besonders gnädig gealterte Produktion lassen gerne vergessen, was für ein guter Song er ist: Ein bittersüßes Stück purer Pop-Musik, über die kleinen und großen Lügen, die eine Beziehung manchmal braucht, um am Leben zu bleiben. „We‘re better off apart / Let‘s give it a try“ ist sowohl eine der ehrlichsten Zeilen dieses Jahrzehnts, als auch ein prophetischer Ausblick: Im gleichen Jahr noch verließ Buckingham Fleetwood Mac, 1990 folgte ihm Nicks. McVie sollte noch bis 1998 Teil der Band bleiben, doch sowohl kommerziell als auch künstlerisch war „Tango In The Night“ der letzte Höhepunkt von Fleetwood Mac.

Lindsey Buckingham Christine McVie – „Feel About You“ (2017)

Der Titel von Christine McVies aktuellestem Albums mag etwas anderes vermuten lassen, de facto ist „Lindsey Buckingham Christine McVie“ jedoch das 18. Studioalbum von Fleetwood Mac. Mit Ausnahme von Stevie Nicks sind mit John Mc Vie und Mick Fleetwood alle Teile ihres legendären Erfolgs-Line-ups auf dieser Platte vertreten. Das Ergebnis ist leider zu steril und blutleer, um sich mit „Rumours“ oder „Tusk“ messen zu können. Einzige Ausnahme: McVies Beitrag „Feel About You“. Mit federleichten Handclaps und klimperndem Steel-Drums liefert sie ein wundervolles Stück Retro-Pop ab. Ihre Alt-Stimme ist im Verlauf der Jahre noch dunkler geworden, ohne dabei ihren Charme einzubüßen. Kein weltbewegender Song, aber ein schöner Beweis, dass McVie auch im Alter noch ihr Handwerk beherrscht wie keine zweite.

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