„The Miseducation Of Lauryn Hill“ wird 20 Jahre alt

20 Jahre „The Miseducation of Lauryn Hill“

Am 25. August 1998 wurde das erste und bisher einzige Soloalbum von Lauryn Hill veröffentlicht

Lauryn Hill war gerade einmal 23 Jahre alt, als sie ihr Solodebüt „The Miseducation Of Lauryn Hill“ veröffentlichte. Es erschien zwei Jahre, nachdem die Platte „The Score“ ihre Band Fugees an die Spitze der Charts katapultierte. Mit „The Miseducation…“ wollte die US-amerikanische Rapperin, Sängerin und Produzentin demonstrieren, dass sie auch ohne Fugees-Strippenzieher Wyclef Jean das Zeug zum Superstar hatte. Mit Erfolg: Das Album verkaufte sich in der ersten Woche mehr als jedes Album einer Künstlerin zuvor, ein Jahr später war Hill, ebenfalls als erste Frau überhaupt, für zehn Grammy Awards nominiert.

Trotz seines bahnbrechenden Erfolgs umgibt „The Miseducation Of Lauryn Hill“ seit jeher eine widersprüchliche Aura. Es prägte eine ganze Generation von KünstlerInnen über viele Genregrenzen hinweg, ob HipHop, Soul, Reggae oder Pop – doch während das Album immer relevanter wurde, zog sich seine exzentrische Schöpferin nach und nach aus dem Rampenlicht zurück. Es war nicht nur Hills erstes, sondern ist auch ihr bisher einziges Studioalbum.

Am 25. August 2018 wird „The Miseducation Of Lauryn Hill“ 20 Jahre alt. Eine gute Gelegenheit, tief in diese vielschichtige Platte einzutauchen. Das hier sind fünf Elemente, die dieses Album zu einem einzigartigen Kunstwerk machen.

Der Titel

Fangen wir an beim Namen. Der Titel dieses Albums bezieht sich auf ein tief mit der afroamerikanischen Geschichte verflochtenes Werk: „The Miseducation Of The Negro“, ein 1933 veröffentlichtes Buch des US-amerikanischen Autoren Dr. Carter G. Woodson, einem der ersten afroamerikanischen Historiker. Woodson, der heutzutage als „Vater der schwarzen Geschichte“ gilt, stellte in diesem Buch eine zu der Zeit kontroverse These auf: Schwarze Jugendliche wird ihre unterdrückte Position in der Gesellschaft vom US-amerikanischen Schulsystem indoktriniert.
Auf „The Miseducation Of Lauryn Hill“ greift Hill dieses Motiv direkt auf, verwandelt es aber in eine hoffnungsvolle Botschaft: Im Verlauf des Albums sind immer wieder Szenen aus einem Klassenzimmer zu hören, in dem der Lehrer seinen Schülerinnen und Schülern die Wichtigkeit von Liebe und Zusammenhalt erklärt. Dieser Hauch von Utopie macht „The Miseducation…“ zu einem ungewöhnlich hoffnungsvollen politischen Album.

Das Herz

Doch „The Miseducation…“ ist viel mehr als nur ein politisches Statement. Eines der persönlichsten Themen, die Hill hier verarbeitete, war ihre Mutterschaft. Als Hill ein Jahr zuvor zum ersten Mal schwanger war, wurde ihr von vielen Seiten zu einem Abbruch geraten. Ein Kind wäre Selbstmord für ihre Karriere. Doch Hill ließ sich nicht von ihrem Plan abbringen. Laut eigener Aussage war es ihre Schwangerschaft, die ihr nach einer langen Schreibblockade neue Kreativität spendete. Eines der Ergebnisse ist „To Zion“, direkt adressiert an ihren gleichnamigen Sohn. In ihren eigenen Worten: „But everybody told me to be smart / ‚Look at your career‘, they said / ‚Lauryn baby use your head‘ / But instead I chose to use my heart.“

Die Produktion

Fugees waren auf dem Papier zwar ein Dreiergespann, die kreativen Entscheidungen wurden jedoch fast ausschließlich von Wyclef Jean getroffen. Umso wichtiger war es für Hill, sich auf „The Miseducation…“ nicht nur als Solokünstlerin, sondern auch als Produzentin zu behaupten. Wie groß ihr Einfluss auf den Sound war, ist jedoch umstritten. Ihre Plattenfirma Columbia wollte Hill als Prince-ähnliches Genie vermarkten, das als Autorin das Album in Eigenregie produzierte. Kurz nach der Veröffentlichung wurde Hill jedoch von ihrer Backingband New Ark beschuldigt, deren kreativen Einfluss auf die Platte unterschlagen zu haben – ein Vorwurf, den auch Jazz-Pianist Robert Glasper erst kürzlich in einem Radio-Interview erneut erhob.
Wer auch immer am Ende die Fäden in der Hand hatte: Dass „The Miseducation…“ auch 20 Jahre später immer noch zeitlos klingt, ist unbestreitbar. Genau wie Hills Gesang mit spielerischer Leichtigkeit zwischen hartem Sprechgesang und beseeltem Crooning wechselt, oszillieren die Instrumentals zwischen Roots-Reggae, Boombap, Oldschool-HipHop und Soul – und klingen dabei trotzdem wie aus einem Guss.

Die Gäste

Auf den 14 Tracks von „The Miseducation…“ finden sich drei Gastfeatures, die allesamt ihre Songs nicht überschatten, sondern bereichern: Carlos Santana steuert dem bereits erwähnten „To Zion“ eine zarte Flamenco-Gitarre bei, während Mary J. Blige in „I Used To Love Him“ ihre kraftvolle, aber niemals aufdringliche Stimme präsentiert. Das Gast-Highlight ist aber „Nothing Even Matters“, Hills Duett mit dem Funk-Wunderkind D‘Angelo. Die Stimme des Musikers, der in dem Song auch das Rhodes-Piano spielte, bildet einen warmen Gegenpol zu Hills expressivem Gesang. Ihre Stimmen tanzen sinnlich umeinander. Dieses Zusammenspiel macht aus einer relativ klassischen R&B-Ballade einen Höhepunkt.
Fun Fact: Für das Piano in der Single „Everything Is Everything“ war ein gewisser John R. Stephens verantwortlich, der wenige Jahre später unter dem Namen John Legend selber zu einem Superstar werden sollte.

Der Einfluss

Gemeinsam mit Erykah Badus Debüt „Baduizm“ gilt „The Miseducation…“ als einer der wichtigsten Bausteine des sogenannten Neo-Soul. Eine Grundlage, auf die bis heute Künstler*innen wie Beyoncé oder Janelle Monáe aufbauen. Doch auch außerhalb des Souls ist ihr Einfluss nicht wegzudenken. 2017 veröffentlichte der mysteriöse Dean Blunt unter dem Pseudonym Blue Iverson das Album „Hotep“, bei dem „The Miseducation…“ nicht nur das Artwork, sondern auch die Musik beeinflusste. Gleich zwei der größten Hits des Jahres 2018 basieren auf Samples dieses Albums: Der Refrain von Hills „Ex-Factor“ geistert sowohl durch Drakes „Nice For What“ als auch durch „Be Careful“, eine Single der frisch gekrönten Königin des Rap Cardi B. „The Miseducation Of Lauryn Hill“ mag Hills einziges Soloalbum sein, doch egal ob als Inspiration, Cover oder Sample: Diese Songs führen bis heute ein Eigenleben.

Das könnte Dich auch interessieren:



Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.