Public Enemy – „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“ (Album der Woche)

Cover des Albums „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“ von Public Enemy

Public Enemy – „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“ (Def Jam)

Während sich das Jahr 2018 dem Ende entgegen neigt und traditionell wenig neue Musik veröffentlicht wird, nutzen wir die Chance, den Blick nach hinten zu richten: Statt neuer Langspieler stellen wir wegweisende Alben vor, die im Jahr 2018 ein Jubiläum feiern. Nach Massive Attacks „Mezzanine“ haben wir „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“ von Public Enemy zum Album der Woche gekürt, das am 28. Juni 30 Jahre alt geworden ist.

„Yo! Bum Rush The Show“, das 1987 veröffentlichte Debütalbum von Public Enemy, war eigentlich in jeder Hinsicht ein Erfolg – 300.000 Platten gingen über den Ladentisch. Für eine Band auf dem einflussreichen Label Def Jam Records war das zwar relativ wenig, für eine Newcomer-Truppe aber ziemlich viel. Die weiße Presse war zwar von Chuck Ds radikalen, kritischen Textzeilen verunsichert, nannte das Album aber trotzdem einen jungen Klassiker. „In einer Zeit, in der die meisten HipHop-Bands sich als Comedy- oder Party-Band verstehen, bieten Public Enemy in ihren besten Momenten etwas viel Aufregenderes und Gefährliches: Realismus“, schrieb Jon Pareles damals für The New York Times.

Doch die Crew aus Long Island wollte noch einen draufsetzen. Während Chuck D und sein Hypeman und späteres Reality-TV-Enfant-Terrible Flavor Flav mit den Tracks von „Yo! Bum Rush The Show“ auf Tour gingen, blieb das Produzenten-Duo Eric „Vietnam“ Sadler und Hank Shocklee zu Hause im Studio, um den Nachfolger auszubrüten. Ein Jahr später erschien „It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back“. Ein Album, das alles, was vorher im HipHop als radikal galt, wie eine Dampfwalze überrollte.

Bring The Noise

„Wenn Phil Spector die ‚Wall of Sound‘ hat, haben Sadler und Shocklee die ‚Wall of Noise‘“, sagte Chuck D einst in einem Interview. Der erste Track des Albums endet mit einem Countdown zum Ende der Welt – ein Szenario, dass das passenderweise als The Bomb Squad bekannte Produzenten-Duo meisterhaft umsetzte. Jahre bevor „Turntablism“ überhaupt als Begriff existierte, webten Sadler und Shocklee einen dichten Flickenteppich aus eklektischen Samples, der genauso virtuos wie explosiv war. Slayer trifft auf James Brown. Queen auf Big Audio Dynamite. Kool & The Gang auf Beastie Boys. Wenn ein Sample zu „clean“ klang, warf Shocklee die Platte auf den Boden und bearbeitete sie mit seinen Füßen. Das Ergebnis war kontrolliertes Chaos, eine aggressive Collage aus Rock-Gitarren, Funk-Loops, Electro-Drums, Störgeräuschen, sowie omnipräsenten Polizeisirenen.

Genau wie die Samples in alle Richtungen gleichzeitig ausströmten, schlug auch Chuck D in seinen Texten um sich: In „Black Steel In The Hour Of Chaos” verurteilte er institutionellen Rassismus, in „Don‘t Believe The Hype“ denunzierte er voreingenommene KritikerInnen, während „Night Of The Living Baseheads“ eine vielschichtige Dekonstruktion des War On Drugs und seiner Folgen für die afroamerikanische Bevölkerung war. Die Ambitionen lagen hoch: Mit diesem Album wollten Public Enemy das HipHop-Equivalent zu Marvin Gayes „What‘s Going On?“ erschaffen. Beißende Gesellschaftskritik, verpackt in bahnbrechende Musik. Der Plan ging auf: Bis heute sucht „It Takes A Nation…“, was die Radikalität angeht, seinesgleichen.

Veröffentlichung: 28. Juni 1988
Label: Def Jam

Das könnte Dich auch interessieren:

  • Klez.e – „Desintegration“ (Album der Woche)
    Mit "Desintegration" schauen Klez.e zurück ins Jahr 1989. Das Album ist eine Hommage an ihre Jugend und an damals wie heute vergötterte Wave-Bands wie The Cure, die Schwermut so schön in Musik verpackten....
  • Yard Act – „Where’s My Utopia?“ (Album der Woche)
    Slacker-Hop, Highlife-Gitarren und Disco-Punk: Auf ihrer zweiten LP „Where's My Utopia?“ streifen Yard Act das Post-Punk-Korsett ab – und klingen so befreit wie noch nie. Unser Album der Woche!...
  • Cover des Albums Somersault von Beach Fossils
    Die Songs von Beach Fossils klingen wie das Ende eines langen Tages am Meer: sanfte Erschöpfung, Sand im Haar, der Kopf angenehm weich. Auch auf „Somersault“ fängt die Band aus New York diese Stimmung wieder wunderbar ein....


Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    daniel
    Dez 18, 2018 Reply

    Geile Wahl!!! Hab mir 87 die Platte gekauft, da war ich vierzehn und hab sie immer noch. Seit kurzem hab ich auch wieder einen Plattenspieler und da hab ich sie erstmal seit langem wieder aufgelegt – BRING THE NOISE!!!

Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.