C.S. Armstrong – „Truth Be Told“ (Rezension)

Cover des Albums „Truth Be Told“ von C.S. Armstrong (Jagjaguwar)

C.S. Armstrong – „Truth Be Told“ (Sub Pop)

8,1

Die Geister der Vergangenheit, nirgendwo spuken sie so wie im Soul. D’Angelo beschwört sie immer wieder herauf, wenn er von analoger Studiotechnik aus den Siebzigern schwärmt. Oder Raphael Saadiq, wenn er die alte Schule des Produzierens hochhält. Beide machen Musik, die so vor 40 Jahren schon hätte entstehen können – und womöglich auch in 40 Jahren noch so entstehen wird. Das gleiche gilt für die Songs auf „Truth Be Told“: Auch C.S. Armstrong ist so ein Typ, der weiß, wie man die Zeit aus ihren Angeln hebt. Nicht nur, dass das Cover von „Truth Be Told“ die 30 Minuten Musik als Hood-Epos auf VHS-Kassette mit ordentlich Patina tarnt. Armstrong scheint auch schlichtweg egal zu sein, wie Menschen heute Vocals fürs Radio aufnehmen. Er hat eine gottgesegnete Stimme. Und er performt.

Dass „Truth Be Told“ so auch vor 40 Jahren hätte entstehen können, ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Ohne das Internet wäre dieses Projekt zwischen Los Angeles und Berlin nie zustande gekommen. Dazu muss man wissen, dass „Truth Be Told“ mit der Youtube-Serie „Colors“ seinen Anfang nahm. Als der Soulsänger C.S. Armstrong von den Produzenten des Formats nach Berlin eingeladen wurde, teilte er ein Bild vom Tempelhofer Feld über seinen Insta-Account. Produzent Torky bemerkte das und bot seine Gastfreundschaft an. Als der Sänger vorbeikam, erzählte er Geschichten aus L.A., von Studiosessions mit Leuten wie Dr. Dre. Und er wollte Loops hören. Torky schmiss die MPC an, wollte zunächst Samples zerschneiden und wieder zusammenkleben. Armstrong aber wollte das Material möglichst unbehandelt, so roh wie es geht. So würden schließlich auch seine Vocals entstehen: improvisiert und ungefiltert.

Lightnin’ Hopkins, Aretha Franklin, Anderson .Paak

Die Strophen des 32-Jährigen, der ursprünglich aus Texas kommt, sind ein einziger Stream of Consciousness, in dem viele große Stimmen anklingen, die längst verstorben sind. Lightnin’ Hopkins und Muddy Waters zählt Armstrong zu seinen Vorbildern. Oder auch Aretha Franklin. „Truth Be Told“ erinnert außerdem an die großen Neo-Soul-Momente von Bilal. Und nicht zuletzt wird sich C.S. Armstrong in Zukunft immer wieder Vergleichen zu Überflieger Anderson .Paak stellen müssen.

Dabei macht „Truth Be Told“ so vieles anders als das Anderson-Album („Oxnard“) aus dem letzten Jahr. An keiner Stelle hört man hier überproduzierten Compton-Bombast. Stattdessen flippt Torky minimalistische Loops und soulgetränkte Pianos. Diese hat der Berliner Produzent, der mit bürgerlichem Namen Jakob Hoff heißt, als Produzentenduo Carpet Control mit Suff Daddy auch schon bei anderen Rap-Produktionen (wie etwa „Normaler Samt“ des HipHop-Duos Audio88 & Yassin) bewiesen. Unterstützung bekommt Torky in der Zusammenarbeit von AnnenMayKantereit-Bassist Malte Huck, Rhodes-Liebhaber Wandl und Beat-Brudi Suff Daddy.

Auch wenn es so anmutet, wirklich viel Retro-Studiotechnik kam bei diesem Album wohl nicht zum Einsatz. Die Geister der Vergangenheit aber spuken trotzdem in „Truth Be Told“. Schon deshalb, weil dieses Album von vielen wunderbaren Samples lebt, die Torky kaum verfremdet – viel lieber lässt er ihre Geschichten atmen. Und überhaupt Geschichten: Wenn C.S. Armstrong in seinem spontanen Bewusstseinsstrom tief in seine eigenen Erinnerungen blicken lässt, meint man, dieser Typ aus Houston habe in den Siebzigern schon mal gelebt. Er hätte damals bei Motown unter Vertrag gestanden. Denn es sind die Geister der ganz Großen, die heute in ihm spuken.

Veröffentlichung: 1. März 2019

Am Montag, den 4. März ist Produzent Torky bei uns im ByteFM Magazin zu Gast, um über die Zusammenarbeit mit C.S. Armstrong zu sprechen. Mitglieder im Förderverein „Freunde von ByteFM“ können das Gespräch auch nach Ausstrahlung im ByteFM Archiv nachhören.

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