Dave Okumu & The 7 Generations – „I Came From Love“ (Album der Woche)

Cover des Albums „I Came From Love“ von Dave Okumu & The 7 Generations, das unser Album der Woche ist

Dave Okumu & The 7 Generations – „I Came From Love“ (Transgressive Records)

„Es gibt zwei Sachen, die man mit seinem Geld kaufen sollte: Land und Sklaven.“ Diesen „Ratschlag“ schrieb Elias Ball Mitte des 18. Jahrhunderts in seinen Memoiren nieder. Im Alter von 20 Jahren erbte der Brite ein großes Landstück in South Carolina und begann – ohne Umschweife – Reis-Plantagen aufzubauen. Ball machte keinen Hehl daraus, dass dies nur mit Hilfe der Ausbeutung von Menschen möglich sei. Seine besagten Memoiren sind gefüllt mit der akribischen Dokumentation seiner Einkäufe. Sie zeigen, aus heutiger Perspektive betrachtet, eine Banalität des Bösen. Unfassbares Leid verpackt in bürokratischer Nüchternheit.

Mehr als nur ein Schicksal

Balls schrecklicher Finanztipp eröffnet „I Came From Love“, das neue Album von Dave Okumu. Er wird von der schweren Stimme von Grace Jones vorgetragen, begleitet von einem wortlos lamentierenden Chor. Elias Ball ist aber nicht der Fokus von Okumus Narrativ. Stattdessen geht es dem in Wien geborenen Sohn kenianischer Eltern um eine von Balls „Investitionen“: Priscilla, ein Mädchen, das 1756 im Alter von zehn Jahren von Ball erworben wurde (Kinder waren seinen Memoiren nach ein besonders lukratives „Long-Time-Investment“ …). Im 18. Jahrhundert starben mindestens ein Drittel der versklavten Menschen South Carolinas im ersten Jahr nach ihrem „Kauf“. Doch Priscilla bildete eine Ausnahme. Sie überlebte. Und trug ihre Geschichte durch die Generationen weiter. Priscillas Geschichte ist nicht die einzige auf „I Came From Love“. An anderer Stelle thematisiert Okumu einen Brand in New Cross, Süd-London, bei dem 1981 13 Schwarze Teenager starben. Es geht Okumu auf seinem zweiten Soloalbum um mehr als „nur“ ein einzelnes Schicksal. Es geht um ein Generationen übergreifendes Trauma.

Wobei das Wort „Soloalbum“ für „I Came From Love“ nicht so richtig greift. Das Konzept des Alleingangs scheint auch nicht in der Natur von Dave Okumu zu liegen. Seine musikalische Karriere begann in den Nullerjahren in London, als Sänger und Gitarrist des Art-Rock-Trios The Invisible – und mündete schnell in eine Laufbahn als Sessionmusiker und Produzent. Die Liste an Acts, die auf Okumus diverse Studio- und Instrumental-Skills zurückgreifen, ist lang; sie reicht von Jessie Ware über Matthew Herbert bis zu St. Vincent und Amy Winehouse. Erst 2021 veröffentlichte er eine gemeinsame LP mit Joan As Police Woman und der Afrobeat-Legende Tony Allen. Im selben Jahr erschien sein eigentliches Solodebüt, das Instrumental-Album „Knopperz“. Und selbst das war eine indirekte Zusammenarbeit: Eine samplingbasierte Variation auf eine LP des Jazz-Pianisten Duval Timothy. Es handelt sich bei Okumu um einen geborenen Team-Player.

Für eine bessere Zukunft

So sagt er es auch selbst: Okumu schöpft seine Kreativität nicht aus introspektivem Einzelgängertum, sondern aus dem chaotischen Trubel, der entsteht, wenn zu viele Menschen in einem Raum gleichzeitig werkeln und denken. Und genauso arbeitete er auch für sein neuestes Werk. Es handelt sich hier um ein fluide zwischen Genres und Besetzungen wechselndes Gesamtkunstwerk. Das Album ist in vier Akte unterteilt, die allesamt auch an einen jeweiligen Kurzfilm von Regisseur Nicolas Premier gekoppelt sind. Auf dem Cover von „I Came From Love“ steht Dave Okumu & The 7 Generations, wobei letzteres für keine feste Band steht. Stattdessen hat er eine beeindruckende Riege an Gast-Musiker*innen versammelt. Junge UK-Acts wie Soul-Künstler Kwabs, Sängerin Eska oder R&B/HipHop-Multitalent Wesley Joseph sind auf vielen der Tracks zu hören. Das rhythmische Fundament der LP wurde von Sons-Of-Kemet- und The-Smile-Drummer Tom Skinner beigesteuert.

Doch die herausragenden Beiträge kommen – dem generationsübergreifenden Konzept des Albums entsprechend – von den älteren Stimmen. Grace Jones erwähnten wir bereits. Auch über das Intro hinaus ist ihr tiefes Organ eine Konstante des Albums, ob im dubbigen Titeltrack oder im hoffnungsvollen HipHop-Abschluss „A Paradise“. Genauso mächtig erklingen die beiden Songs, in denen Anthony Joseph seine Spoken-Word-Poesie ausbreiten kann. „We cannot be sent back / We cannot be a metaphor for difference“, spricht der Schriftsteller und Musiker über den harten Afro-Funk von „Scenes“. Es klingt wie eine Kernthese von „I Came From Love“. Wir können nicht mehr zurück. Aber vielleicht können wir gemeinsam, mit dem Wissen der vergangenen Generationen, eine bessere Zukunft erschaffen.

Veröffentlichung: 14. April 2023
Label: Transgressive Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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