Deerhunter – „Why Hasn’t Everything Already Disappeared?“ (Album der Woche)

Cover des Albums „Why Hasn't Everything Already Disappeared?“ von Deerhunter

Deerhunter – „Why Hasn’t Everything Already Disappeared?“ (4AD)

Angesichts von unaufhaltsamen Übeln wie der globalen Erwärmung kann es einem manchmal nahezu verantwortungslos vorkommen, neue Menschen in diese Welt zu setzen. Und trotzdem werden nicht nur täglich, sondern wurden auch in der von Weltkriegen gebeutelten Vergangenheit stetig Kinder geboren. Was bewegt Menschen dazu, in dieser so verlorenen Welt Hoffnung zu haben? Dies führt zu der essentiellen Frage, die Bradford Cox zum neuen Album seiner Band Deerhunter inspirierte: Warum ist noch nicht alles verschwunden?

„Why Hasn‘t Everything Already Disappeard?“, der Titel des achten Studioalbums von Deerhunter, ist hoffnungsvoller, als er auf den ersten Blick erscheint. Auch die Musik der Band aus Atlanta, die ihre eigenen Songs einst als Ambient-Punk bezeichnete, klingt auf dieser Platte so anschmiegsam wie nie zuvor. Gleich zu Beginn nimmt Cox einen an die Hand: „Come on down from that cloud / And cast your fears aside“, singt seine nasale Stimme, während Cembalos freundlich klimpern. Hab keine Angst, sagt sie.

Versöhnliche Antworten auf unbequeme Fragen

Ein Teil dieser Anschmiegsamkeit sind Cox‘ Texte, die hier zum ersten Mal im Deerhunter-Katalog nicht autobiografisch sind, sondern die Natur des Menschen an sich mit feinem Strich skizzieren. Der andere Teil ist der Sound: Trotz der schwergewichtigen Fragen klingen Deerhunter auf „Why Hasn‘t Everything Already Disappeard?“ federleicht. Jeder Ton ist sanft, selbst das verzerrte Gitarrensolo in „Death In Midsummer“ wirkt wie eine Umarmung. Schwer zu glauben, dass das die gleiche Band ist, die in den Nullerjahren chaotische Noise-Punk-Tracks wie „Lake Somerset“ fabrizierte.

Selbst deprimierende Themen (nationalistisch motivierte Gewalt in „No One‘s Sleeping“, der Tod an sich in „What Happens To People?“) wirken eingebettet in diesen lupenreinen Kammer-Pop halb so erdrückend. Cox und seine Band stellen unbequeme Fragen und geben versöhnliche Antworten. Das soll ihnen erst einmal jemand nachmachen.

Veröffentlichung: 18. Januar 2019
Label: 4AD

Das könnte Dich auch interessieren:

  • Klez.e – „Desintegration“ (Album der Woche)
    Mit "Desintegration" schauen Klez.e zurück ins Jahr 1989. Das Album ist eine Hommage an ihre Jugend und an damals wie heute vergötterte Wave-Bands wie The Cure, die Schwermut so schön in Musik verpackten....
  • Yard Act – „Where’s My Utopia?“ (Album der Woche)
    Slacker-Hop, Highlife-Gitarren und Disco-Punk: Auf ihrer zweiten LP „Where's My Utopia?“ streifen Yard Act das Post-Punk-Korsett ab – und klingen so befreit wie noch nie. Unser Album der Woche!...
  • Cover des Albums Somersault von Beach Fossils
    Die Songs von Beach Fossils klingen wie das Ende eines langen Tages am Meer: sanfte Erschöpfung, Sand im Haar, der Kopf angenehm weich. Auch auf „Somersault“ fängt die Band aus New York diese Stimmung wieder wunderbar ein....


Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.