Erobique & Jacques Palminger – „Songs For Joy auf der Veddel“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 19. Mai 2025

Cover des Albums „Songs For Joy auf der Veddel“ von Erobique & Jacques Palminger

Erobique & Jacques Palminger – „Songs For Joy auf der Veddel“ (A Sexy Records)

Es gibt zwei Methoden, „Songs For Joy auf der Veddel“ zu hören. Die eine braucht keinen Kontext und ist ganz einfach: Man drückt auf den Play-Button und lässt sich von dieser Musik umarmen. Wie schon beim 2009 erschienenen Vorgänger „Songs For Joy“ haben Carsten „Erobique“ Meyer und Jacques Palminger, die selbsternannten „Kuratoren“ dieses Projekts, hier ein unfassbar charmantes Doppelalbum versammelt, aus sehr unterschiedlichen und trotzdem nahtlos miteinander harmonierenden Stücken. Die Stimmen sind stets verschieden, die Gastmusiker*innen und ihre Instrumente auch. Auch die Genres wechseln frei, New-Wave-Punk, Chanson, Kinderlied, Sixties-Soul und immer wieder Disco, Disco, Disco. Alles vereint von analoger Wärme und den sanften Grooves der Rhythmusgruppe. Musik zum Träumen und Tanzen, Seufzen und Lachen, die wunderbar für sich selbst steht. Musik, die einfach pure Freude auslöst.

Die zweite Methode, die braucht ein bisschen Kontext. Denn es lohnt sich, zu verstehen, was für ein beeindruckendes Unterfangen „Songs For Joy auf der Veddel“ wirklich ist. Genau wie beim ersten Teil handelt es sich erneut um ein kollaboratives Projekt. Es begann wieder mit einem Aufruf: „Lieben Sie Musik? Schreiben Sie gerne? Schicken Sie uns Ihre Texte! Jacques Palminger und Carsten „Erobique“ Meyer machen Musik daraus.“ 300 bis 400 Lied-Ideen landeten dieses Mal in der Inbox, die dann von dem Duo, gemeinsam mit Produzentin Peta Devlin, Gitarrist und Komponist Christoph Dietermann und Schlagzeuger Mario Hänni, zu 18 finalen Songs verarbeitet wurden.

Gelebte kommunale Utopie

Entstand „Songs For Joy“ noch im Berliner Maxim Gorki Theater, arbeiteten Meyer und Palminger dieses Mal in ihrer Heimat Hamburg – in der Immanuelkirche im Stadtteil Veddel, südlich der Elbe gelegen. Hier richteten sie im Kirchenschiff ein offenes Studio ein. Was bedeutet offen? Dass jeder Mensch, der vorbeikam und Lust hatte mitzumachen, herzlich eingeladen war. Egal ob Maultrommel-Virtuose, Kinderchor oder Rapper, wie Carsten Meyer im Interview im ByteFM Magazin erzählte. In dieser gelebten kommunalen Utopie hat jede*r Platz.

Mehr als 50 Menschen standen im Mai 2024 auf der Bühne des Hamburger Schauspielhauses, als diese Songs bei der großen „Songs-For-Joy“-Gala live ihre Premiere feierten. Und mindestens genau so viele sind nun für die LP verantwortlich. Dass dieses Projekt unter dem Gewicht all dieser Gast-Künstler*innen nicht kollabiert, grenzt an ein Wunder. Im Gegenteil: Von den ersten Rhodes-Piano-Tupfern vom eröffnenden Chanson „Wenn ich könnte, würde ich singen“ erklingt diese Musik mit wunderbarer Selbstverständlickeit. Schauspielhaus-Schauspielerin Angelika Richter singt mit Hildergard Knefscher Aura das Credo dieses Albums: „Ach, wenn ich es könnt’, ich würde singen laut und schön / Ach, wenn ich es könnt’, ich würde auf die Bühne gehen / Ich würde singen, tanzen, lachen / Und den Leuten Freude machen.“ Liest sich ein wenig kitschig, klingt aber, umrahmt von Meyers melancholischen Akkorden und umsichtig tapsenden Grooves, wie das basalste Bedürfnis überhaupt.

Herzerwärmende Musik

„Songs For Joy auf der Veddel“ mit dem gehörigen Kontext zu hören, fühlt sich an, wie einen unverhofft wunderbaren Sampler auf dem Flohmarkt zu finden, bei dem man immer wieder ungläubig durch die Liner-Notes blättert. Staunen über hanseatischen Lokalkolorit in Form von windschiefem The-Sonics-Garage-Rock („Veddel“), über Sesamstraßen-Bossa-Nova („Bert & Ernie“) und sich vor Euphorie überschlagenden Schlager-Balladen („Wildes buntes Leben“). Oder über feurigen Stax-Soul („Freiheit“) und herzerwärmende Schlaflieder („Tag und Nacht“).

Und generell über die Bandbreite an Stimmen, die hier zu hören sind. Die Punk-Band Die Feigen Flittchen sprechsingt sich in „Die Enge meiner Zwänge“ durch New Wave à la Talking Heads. In „Neredesin“ tönen die Schwestern Banu und Aylin Şengül ein türkisches Liebeslied, mit in Zeitlupe schwebenden Gesangsharmonien. Und dann, wenn man denkt, man hat schon alles gehört, kommt in „Noch ist es Sommer“ der örtliche Schulchor vorbei und singt sich charmant die Seele aus dem Leib. Es ist herzerwärmend!

Veröffentlichung: 16. Mai 2025
Label: A Sexy Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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