Fastmusic – „I Want To Love, And I Love“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 7. Oktober 2024

Cover des Albums „I Want To Love, And I Love“ von Fastmusic, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Fastmusic – „I Want To Love, And I Love“ (Fun In The Church)

„I Want To Love, And I Love“ ist leise. Und zwar rein objektiv gesprochen, also nicht in dem Sinne, in dem man etwa Folk-Alben als „leise“ beschreibt. Sicherlich, solche Momente hat das Debütalbum von Bela Fast aus Leipzig auch. Gleich der Opener „Carousel“ ist so ein Kandidat. Stilistisch gar nicht unbedingt repräsentativ für die LP, bereitet Fast mit sanft gezupften Gitarren und zurückhaltendem Gesang den Boden für das, was folgt: „Carousel keeps on turning / I’m sitting inside and try to calm down / The party isn’t over / I wonder why“. Die Atmosphäre ist freundlich, aber nicht wohlig, sondern fragend und latent besorgt. Vielleicht sogar schüchtern? Das ist schwer zu sagen. Denn in seiner allumfassenden Zurückhaltungsgeste ist das Album fast schon kokett bis flamboyant. In keinem Fall ist Fastmusic ein bescheidener Singer-Songwriter. Eher jemand, der sich ziemlich radikal seine eigene Welt einrichtet.

Damit wären wir wieder bei dem Umstand, dass „I Want To Love, And I Love“ objektiv leise ist. Ohne Tontechnik-Latein: Seit den mittleren 90ern opfert die Musikindustrie die Klangqualität möglichst hoher wahrgenommener Lautheit (bei gleicher Lautstärkereglerstellung). Heute fallen damit einhergehende Verzerrungen und Lautstärkedynamikeinbußen kaum noch auf. Da sich Fastmusic dem nicht beugt, klingt sein Album leiser als das meiste. Außer Khruangbin vielleicht. Mit dem texanischen Trio eint ihn überdies eine Liebe zu westafrikanischem Blues. Der klingt etwa in „Instrumental 1“ durch. Mit knapp einer Minute hat das Solo-Gitarrenstück eher Interlude-Charakter. Wenn wir bei Song Nummer drei ankommen, hat Bela Fast uns also erfolgreich animiert, die Lautstärke hochzudrehen. Und belohnt mit klanglichen Details in spärlich-schönen Aufnahmen.

Bluesmusique

Fasts künstlerische Radikalität erinnert an Singer-Songwriter wie Shuggie Otis, der lieber seine Karriere drangab, als Kompromisse einzugehen oder gar nach den Regeln zu spielen. An Otis‘ Frühwerk („Aht Uh Mi Hed“) gemahnt auch die klackernde Rhythmusmaschine, die Fast ab dem dritten Stück „Superman“ begleitet. Dazu eine einzelne rhythmisch-melodische Desert-Blues-Gitarre und leise eingesunge Lyrics über das Aufwachen, nachdem man sich wie Supermann gefühlt hat. Ein Aufwachen als zwanzigjähriges Kind, das nicht weiß, was es essen soll. Im spärlich möblierten Klangraum fällt jeder Sound, jedes Detail stärker ins Gewicht, als man es gewohnt ist. Wenn Fastmusic diesen mit Bass, subtilen Orgeltönen und ausklingenden Gitarrenakkorden füllt, erzeugt er einen Spannungsbogen mit Mitteln, die man normalerweise „skelettales Arrangement“ nennen würde.

Ein – im Verhältnis zum Rest des Albums – forscher Four-To-The-Floor-Beat treibt das anschließende „Wow“ an. Nicht so, wie ein Club-Beat antreibt, sondern eher wie ein leicht erhöhter Herzschlag: etwas ungemütlich, aber keine ausgewachsene Panikattacke. „Bluesmusique“ nennt Fast seinen Sound. In seinem Ansatz eint ihn einiges mit Young Marble Giants, die zu Begleitautomaten-Loops blues-basiertes Rock-Songwriting zu etwas Kristallklar-Leisem dekonstruierten. Doch Fasts moderne, eigenbrötlerische Bluesmusique hat weniger mit den Genre-Klischees gemein als mit ländlichem Hill Country Blues oder Blues aus der Sahara. Dazu gehören auch gelegentlich ausufernde Soli, wie sie etwa, frei von gitarristischer Selbstdarstellerei, in „Dancing In The Sun“ erklingen.

Sinnsuche ohne Stress

Seine Sporen verdiente sich Bela Fast als Straßenmusiker in Südfrankreich. Dorthin brach er mit Anfang 20 während einer Sinnkrise von seinem Geburtsort Freiburg auf, Kickdrum, Gitarre, Verstärker und Mikroständer im Gepäck. Viel mehr ist über den Künstler nicht bekannt. Der ist nämlich genervt vom Drumherum des Musizierens und überhaupt der ständigen Selbstinszenierung im Alltag, wie er in „Pictures“ moniert. Zwar entfleucht man diesem Spiel nicht, wenn man wie er kaum etwas über sich preisgibt, aber die spärlichen Infos, die er herausgibt, passen zur spartanischen Musik. Er lebt am Stadtrand, fußläufig zu einem Badesee und bewegt sich „zwischen Studio, Gartenbau-Baustellen und Tomatengarten“. Dass die ersten Fastmusic-Songs in Südfrankreich dem Kopf eines allein reisenden, fahrenden Sängers entsprungen sein sollen, leuchtet unmittelbar ein.

Es ist die Musik von jemandem, der nicht nur viel Zeit mit sich selbst und seinen Gedanken verbracht hat. Sondern auch jemandem, der darob nicht ins Grübeln geraten, sondern auf gesündere Gedanken gekommen ist. Es ist ein Album der musikalischen wie seelischen Entschleunigung. „It’s okay, Lina, don’t need to know / What is right and what is wrong / Enjoy!“, heißt es in „It’s OK“: die Stimme von Entschleunigung und Akzeptanz. Doch bei aller Langmut und Achtsamkeit und allen hypnotisch-meditativen Qualitäten der Musik ist unser Album der Woche nicht das Werk eines in sich ruhenden Erleuchteten. Bloß lässt Fastmusic sich von der eigenen Sinnsuche nicht stressen. Viel wichtiger ist der Versuch, hier und jetzt mit sich selbst im Reinen zu sein und den Augenblick zu schätzen.

Veröffentlichung: 4. Oktober 2024
Label: Fun In The Church

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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