Lael Neale – „Altogether Stranger“ (Album der Woche)

Cover des Albums „Altogether Stranger“ von Lael Neale

Lael Neale – „Altogether Stranger“ (Sub Pop Records)

Wusstet Ihr schon, dass ein Alien unter uns wandelt?! Es ist glücklicherweise kein bösartiges Wesen – es will nicht unsere Zivilisation auslöschen oder unangenehme Experimente an uns durchführen. Stattdessen ist es einfach nur neugierig. Es will nur beobachten. Und Fragen stellen. „Daylight’s a million miles / From where I go at night“, singt es, „but can you tell me how to be here / Can you help me be here right?“ Kannst Du mir sagen, wie ich richtig hier sein kann?

Dieses Alien hört auf den Namen Lael Neale – und wuchs nicht etwa auf dem Mars, sondern auf einer Farm in Virginia auf. Genau dort, in provinzieller Idylle, verbrachte die US-Künstlerin die letzten drei Jahre, nachdem sie in Los Angeles ihre musikalische Laufbahn begann. Zurück auf dem Familien-Bauernhof schrieb sie ihre vergangenen zwei Alben „Acquainted With Night“ und „Star Eaters Delight“, die sie zur Hoffnungsträgerin des modernen Lo-Fi-Pops machten. Nun, für die neueste LP „Altogether Stranger“, kehrte sie in die Metropole zurück. Und fühlte sich in Kalifornien plötzlich wie eine Außerirdische, die „auf einem dystopischen Planeten landete“, so Neale. „Dieses Album scheint mir wie aus der Perspektive eines Wesens aus einer anderen Welt, das menschliche Seltsamkeiten beobachtet.“ So läuft sie in den begleitenden Musikvideos durch L.A., mit unnatürlichem Gang und neugierigem Blick.

Ein Alien in L.A.

Dieser windschiefe Außenblick zeichnete schon von Anfang an Lael Neales Kunst aus. Klangästhetisch arbeitet sie seit „Acquainted By Night“ in der Tradition von Acts wie The Velvet Underground, The Modern Lovers oder auch Aldous Harding: Ihre Songs sind klar erkennbar Pop-Musik, sie arbeiten nach den bekannten strukturellen und harmonischen Regeln – und wirken dennoch irgendwie auf betörende Art und Weise weird. Auf „Altogether Stranger“ treibt sie diese Methode noch weiter: „Wild Waters“ eröffnet die LP mit stoischem Drumcomputer, Tremolo-Gitarren, verstimmter Casio-Orgel und engen Gesangsharmonien – als hätten Suicide The Beach Boys gecovert. Der Text ist ebenso schräg und ungreifbar: „Save me a place at the table, say grace / I’m eating my words, but still wasting away“. Neale wirkt mit ihrer stets leicht entrückten Stimme so, als würde sie selbst darüber staunen, dass das gerade alles einfach nur zauberhaft klingt.

Dieser hypnotische Lo-Fi-Rock dient Neale als Fundament für ihre wundersamen Beobachtungen ihrer Mitmenschen. Immer wieder kommt Los Angeles ins Bild, als stetig rauschender Nebendarsteller: „Lay me to bed under canopy tree lines / My mind is a jungle of sirens and stoplights“, singt sie in „Sleep Through The Long Night“, begleitet von neon funkelnden Omnichord-Arpeggios. Hier bemerkt sie verstörende Kontraste („We’ll take the whole world in our hands / Make amusement parks / And prison yards“), nur um wieder Hoffnung für unsere Spezies zu spüren: „When the world began / There was a light inside the man / But all is never lost / There’s still a light / Inside of us“, heißt es in „All Is Never Lost“. Neale mag sich wie eine Außerirdische fühlen – aber das, was sie hier umschreibt, besingt und spürbar macht, ist unfassbar menschlich.

Veröffentlichung: 2. Mai 2025
Label: Sub Pop Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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