Nell Smith – „Anxious“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 14. April 2025

Cover des Albums „Anxious“ von Nell Smith

Nell Smith – „Anxious“ (Bella Union)

Das Unerträgliche zuerst: „Anxious“ ist ein posthumes Debütalbum. Nell Smith, die Autorin und Sängerin dieser Musik, starb im Oktober 2024 bei einem Autounfall. Die britisch-kanadische Musikerin lernte 2018 im Alter von zehn Jahren mit ihrer Familie The Flaming Lips kennen. Kurze Zeit später tourte das Wunderkind mit der US-Psych-Pop-Band. 2021 veröffentlichten sie ein gemeinsames Nick-Cave-Coveralbum namens „Where The Viaduct Looms“, ein Jahr später begann sie die Arbeit an ihrer eigenen Debüt-LP. Zur Zeit ihres Todes war sie gerade einmal 17 Jahre alt. Dass sie die Veröffentlichung von „Anxious“ nicht persönllich erleben konnte, ist schlichtweg grausam. Doch die Musik ist nun, allen schrecklichen Umständen zum Trotz, da. Und sie will und muss gehört werden!

Die Ängstlichkeit, die dem Album seinen Namen gibt, ist direkt im eröffnenden Titelsong spürbar. Es ist ein flirrendes Durcheinander: Die eine Hälfte der Gitarren ist fuzzy verzerrt, die andere klimpert folkig. In der Rhythmusgruppe überlappen sich 808-Bassdrums und analoge Trommeln. Im Hintergrund klimpert irgendwo ein Piano, im Chorus schaut plötzlich für vier Töne eine Trompete vorbei. Was chaotisch klingen könnte, wirkt aber erstaunlich eingängig – spätestens wenn Smith im lang verzögerten Refrain ihr Gespür für Melodien demonstriert. Nell Smith transformiert ihre generationstypische Unsicherheit in etwas Liebliches und Verspieltes.

Leichtfüßig durch das Chaos

Dieses leichtfüßige Chaos ist auf „Anxious“ ein konstanter Begleiter. Smith und ihre Produzent*innen, Jack und Lily Wolter von Penelope Isles, haben die zehn Songs mit allerlei wundersamen Seltsamkeiten ausstaffiert, die ihren Psych-Pop zum Stolpern bringen. Die Call-And-Response-Shouts zum Ende von „Daisy Fields“. Das Tape-Rekorder-Leiern in der Akustikgitarre und die Shoegaze-Klangwände von „Service Song“. Das noisy Feedback, das in „Boy In A Bubble“ gegen Smiths Pop-Refrain dröhnt. Die wie unter Wasser anmutende Zeitlupen-Ballade „I Know Nothing“. Smith verliert dabei nie den Boden unter den Füßen: Kein Song kommt ohne catchy Hookline aus, oder ohne ein Zeile, die sofort im Stammhirn hängen bleibt. Ihre Poesie ist effizient, erreicht oft mit wenigen Worten den maximalen Effekt: „7.92 billion people / I choose you“, singt sie im hinreißenden „Billions Of People“.

Es gibt auf diesem Album auch Zeilen über den Tod, was „Anxious“ noch trauriger macht als es ohnehin schon ist. „Bubba“ ist eine Ode an ihren Freund und Mentor Troy Cook, der im Alter von 53 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung starb. „Acrylic skies you burn them orange / You burn them blue / You burn into ashes / This battles over for you“, singt sie. Smiths Worte haben großes Gewicht, doch sie tragen auch Hoffnung. Wie das gesamte Album ist „Bubba“ gefüllt mit Liebe und Leichtigkeit. „Anxious“ hätte der vielversprechende Anfang einer langen Karriere sein müssen. Wie schrecklich, dass es stattdessen das Ende ist.

Veröffentlichung: 11. April 2025
Label: Bella Union

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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