Panda Bear – „Sinister Grift“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 3. März 2025

Cover unseres Albums der Woche – „Sinister Grift“ von Panda Bear

Panda Bear – „Sinister Grift“ (Domino Records)

„Sinister Grift“ könnte man als Panda Bears geradlinigstes Pop-Album bezeichnen. Oder überhaupt als geradlinigste Pop-LP aus dem Umfeld des Animal Collective. Mit diesem mehr oder minder losen Bandgefüge musiziert Noah Lennox seit einem Vierteljahrhundert; mit einigen Mitgliedern sogar schon seit Highschool-Tagen, als Gitarren-Indie-Boys. Seinen Beinamen „Panda Bear“ verdiente Lennox sich durch die Angewohnheit, Mixkassetten mit Panda-Zeichnungen zu illustrieren. Psychedelische Erfahrungen und die Entdeckung von Kraut- und Psych-Bands wie Can oder Silver Apples öffneten den Animal-Collective-Mitgliedern Augen und Ohren für Klangforschungsexpeditionen in unkartografierten Territorien. Tituliert man unser Album der Woche nun als „geradlinigen Pop“, dann natürlich nur gemessen am bisherigen Band- und Solo-Output. Selbstredend haben Animal Collective der Welt einige großartige Pop-Perlen beschert. Doch um an Perlen zu kommen, muss man erst einmal die unebene, raue Austernschale aufstemmen. So enfalten Songs wie „Peacebone“ oder „My Girls“ ihre Schönheit, wenn man die Arbeit hineinsteckt, ihnen mit ungeteilter Aufmerksamkeit zuzuhören. Ansonsten wird es schnell stressig.

Hört man sich durch die Solo-Diskografien der Bandmitglieder, liegt der Schluss nahe, dass dieser Stressfaktor wahrscheinlich nicht Panda Bears Einfluss ist. Gerade bei Avey Tare drängt die Stimme gern gen Mittelpunkt und erinnert dabei etwas an das gepresste Timbre von James Mercer (The Shins). Der melodisch-harmonische Beach-Boys-Einfluss, den man Animal Collective oft nachsagt, klingt wiederum bei Lennox am deutlichsten durch. Auch musikalisch scheint Panda Bear am wenigsten auf Aufmerksamkeit aus zu sein. Trotzdem kann man ihn weder traditioneller Songstrukturen noch gewöhnlicher Produktionen zeihen. Am Animal-Collective-Sound macht gerade die kreative Reibung einen Teil des Reizes aus. Aber auch auch bei nominellen Soloveröffentlichungen kooperieren die Mitglieder gern miteinander. So ist unser Album der Woche die erste Panda-Bear-Veröffentlichung unter Beteiligung aller Animal-Collective-Mitglieder, wenngleich Lennox die meisten Instrumente selbst eingespielt hat. Am meisten arbeitete Lennox mit Josh „Deakin“ Dibb, mit dem er die LP produzierte.

Langsames Gemüt und kreative Unrast

Für Dibb fühlte sich die Zusammenarbeit im Prinzip genauso an wie schon 1991, als er mit Lennox erste Mehrspur-Kassettenaufnahmen machte. Komplett vereint ist das Kollektiv im Song „Ends Meet“, dessen psychedelisch gefilterten karibischen 70s-Groove Geologist ausgestaltet und Tare mit einem „Noise-Solo“ aufbricht. Neben kalifornischem Sunshine-Pop klingt aus dem Song, wie auch dem ganzen Album, Lissabon heraus. Dorthin zog Lennox vor über 20 Jahren, weil er sich sofort heimisch fühlte, als er erstmals in der portugiesischen Hauptstadt aus dem Flugzeug stieg. Denn er sei eine langsame Person, sagte er einmal, und Lissabon eine langsame Stadt. Dort fand er den langersehnten „verlässlichen Ankerpunkt zum Abschalten“ und hat sich endlich, in seinem eigenen Tempo, den Traum eines eigenen Studios erfüllt. „Sehr bescheiden“ zwar, aber zu seiner freien Verfügung. Eigentlich hatte Lennox vor, seine relativ straighten Aufnahmen mit Dibb auseinanderzunehmen und seltsam zu machen. Doch nachdem sie die Arrangements entschlackt und zurechtgerückt hatten, war schon quasi alle Arbeit verrichtet: Das Album klang, wie es sollte.

Auch wenn er das Album überwiegend alleine gemacht hat, braucht Lennox die Erdung durch andere. Ansonsten würde er seine Projekte nie für fertig erklären. Daher lebt er seine künstlerische Unrast gern mit anderen aus, und ein wenig verschwimmen dabei seine Projekte. So warf sein gemeinsames Album „Reset“ mit Sonic Boom aus dem Jahr 2022 bereits Schatten seiner neuen LP voraus. Schon dort ließ er seinem Beach-Boys-Faible freien Lauf, ohne das Bedürfnis, mit Klangexperimenten die Sicht auf die Schönheit der Songs zu verstellen. Mal klang das nach tatsächlichen „Pet-Sounds“-Outtakes, mal zwitscherten Synths, die zwar ihren eigenen Willen hatten, aber den Songs dienten. Die Kontinuität zwischen den Alben wird besonders deutlich auf „Venom’s In“ und „Left In The Cold“. Mit dem minimalistischen, verhallten und dramatischen „Elegy For Noah Lou“ bildet letzteres das meditative bis abdriftende Viertel der LP. Aus den Schluchten der Hallfahnen holt uns „Defense“ (feat. Cindy Lee). Dieses erinnert an Lindsey Buckingham, mit oder ohne Fleetwood Mac, modernisiert mit der Lissabonner Sonne über dem Mischpult. Während Lennox von der Suche nach Schutzmechanismen singt, scheint schon deren Antritt sein Selbstbewusstsein hörbar gestärkt zu haben.

Zweifel und sonniges Gegengift

Keineswegs ist dieser Schlusspunkt bloß ein Cliffhanger für das nächste Projekt. Denn solcherlei selbstbewusste Hits überwiegen auf dem Album sogar. Zumindest, was Lennox‘ Selbstvertrauen ins Popsong-Format angeht. So beruft sich der Opener „Praise“ sogar auf eine Zeit, in der Rhythm & Blues, Country und jazzige Barber-Shop-Harmoniegesänge zur frühen Popmusik verschwammen. Die Lyrics klingen eher nach einer eher ungesunden Beziehung, aber das war damals oft auch so. Biografisch muss das nicht unbedingt sein, denn mittlerweile empfindet Lennox zu persönliche Texte als Pfad in die Selbstgerechtigkeit. Auch ist dies zu hoffen, da am Song auch seine Lebensgefährtin Rivka Ravede (Spirit Of The Beehive) beteiligt ist. Diese teilt sich die Backing-Vocals mit der Portugiesin Maria Reis, die im atmosphärischen „Anywhere But Here“ den Spoken-Word-Part übernimmt, an das mit „50mg“ anschließt, das Beach-Boys-Vibes auf blubbernde Synths bettet.

Wieder einmal kontrastiert hier der Text die frohgemute Stimmung der Musik. Wie so oft auf dem Album geht es um zwischenmenschliche Verbindungen, die man lieber aufrechterhalten hätte, statt nun mit lauter Fragen und lauten Gedanken dazusitzen. Denn auch in Lissabon kann man sich ziemlich einsam fühlen. Dafür ist auch „Ferry Lady“, der klare Hit der Platte, ein Beispiel. Umweht von einer steifen Brise, scheint der Protagonist gefangen im Kopfkino. Aus der Musik mit ihren Reggae-Anleihen indes sprechen eher Lissabons warme Sonnenstunden und verleihen einem Vers auf halber Strecke besonderes Gewicht: „Black thoughts back again / Time to cut it out“.

Veröffentlichung: 28. Februar 2025
Label: Domino Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

Das könnte Dich auch interessieren:

  • Wet Leg kündigen neues Album „Moisturizer“ an
    Mit dem leichtfüßigen Indie-Rock ihres Debüts zählten Wet Leg zu den Überfliegerinnen im Jahr 2022. Nach unzähligen Live-Shows hat das britische Duo nun den Nachfolger „Moisturizer“ angekündigt. Hört Euch hier die erste Single daraus an!...
  • DJ Koze – „Amygdala“ (Album der Woche)
    "Amygdala" klingt trotz aller Vielschichtigkeit, allen Verdrehungen und geschickt eingesetzten klanglichen Verhaspelungen sehr homogen. Maestro Koze gibt uns 13 Tracks an die Hand, mit denen sowohl Tage als auch Nächte ein ganzes Stück geschmeidiger durchlebt werden können. Unser Album der Woche....
  • Wet Leg – „Wet Leg“ (Album der Woche)
    Auf ihrem Debüt lösen Wet Leg das ein, was ihr 2021er Smash-Hit „Chaise Longue“ versprochen hat: ein Album, bis zum Rand gefüllt mit unverschämt eingängiger Gitarrenmusik. ...


Diskussionen

1 Kommentare
  1. posted by
    Mario
    Mrz 5, 2025 Reply

    Super Rezi!

Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert