Bohren & der Club of Gore – „Patchouli Blue“ (Album der Woche)

Cover des Albums „Patchouli Blue“ von Bohren & der Club of Gore

Bohren & der Club of Gore – „Patchouli Blue“ (PIAS)

In ihrem eigenen Pressetext wird die Musik von Bohren & der Club of Gore als „ereignisarm“ beschrieben. Im wörtlichen Sinne ist das korrekt. In einem Bohren-Song, wenn man die langgestreckten Meditationen dieser Band überhaupt „Song“ nennen mag, werden traditionell nie viele Töne gespielt. Das war schon immer so, seit ihren ersten Singles Anfang der 90er-Jahre, als vier Mülheimer Metalheads auf die Idee kamen, den langsamsten Jazz der Welt zu spielen. „In-A-Silent-Way“-Ära Miles Davis in Zeitlupe, gefiltert durch den bewegungslosen Drone-Metal von Earth. Ihre Musik klang von Anfang an wie nächtliche, einsame Autofahrten mit einem Tempolimit von 35 bpm. Dafür braucht man einen langen Atem.

Was man aber niemals mit „Langatmigkeit“ verwechseln sollte. Denn auf der emotionalen Ebene ist „ereignisarm“ vollkommener Quatsch. Genau weil so „wenig“ passiert, machen Bohren & der Club of Gore jeden Ton zu einem Ereignis. Jeder schwerelose Fender-Rhodes-Akkord, jeder das Zwerchfell eindrückende Basston, jeder minutenlang nachrasselnde Beckentupfer ein Universum. Alles in dieser Musik hat Gewicht. Und wenn Christoph Clöser sein Saxofon aufheulen lässt, vibriert nicht nur die Lufts, sondern der ganze Körper.

Jeder Ton ein Ereignis

Bohren-Fan zu sein, heißt, warten zu können. Nicht nur auf den nächsten Snare-Schlag. Die Frequenz ihrer Albumveröffentlichungen scheint sich am Tempo ihrer Stücke zu orientieren. „Patchouli Blue“, das nun erscheinende achte Studioalbum von Bohren & der Club of Gore, ist ihre erste neue LP seit sechs Jahren. Zwischen den Vorgängern „Piano Nights“ und „Dolores“ zogen ebenfalls sechs Jahre ins Land.

Neu erfunden hat sich die Band in dieser Zeit nicht. Sie scheint zu wissen, dass sie das gar nicht muss. Wer auf „Patchouli Blue“ Veränderungen sucht, muss genau hinhören. Die Stücke sind ein bisschen kürzer, ein bisschen griffiger. Am Ende von „Deine Kusine“ swingt Clöser plötzlich mit verschmitztem Swing. Durch „Vergessen & vorbei“ stolpert ein Drumcomputer. Morten Gass füllt den gigantischen Klangraum öfter als gewohnt mit analogen Synthesizern.

Doch das ist alles nur marginal. Anstatt sich auf Krampf neu zu erfinden, machen Bohren & der Club of Gore auch auf „Patchouli Blue“ das, was sie am besten können. Sie schleichen und kriechen. Sie lassen ihre Instrumente flüstern. Und sie genießen die endlose Spannung, die ihre Musik von ganz alleine aufbaut. Die Auflösung gönnen sie ihrem Publikum selten. Doch wenn sie kommt, wie mit der sich überschlagenden Orgel in „Total falsch“, dann ist das ein verdammtes Ereignis.

Veröffentlichung: 24. Januar 2020
Label: PIAS

Bild mit Text: Förderveein „Freunde von ByteFM“

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