Einmal schütteln bitte – Tamaryn live in Köln

Draußen legt sich der Schnee über die Kölner Domspitzen. Die flirrende Kälte erschwert mir den Gang zu einem der Konzerte des Jahres. Tamaryn gastieren heute im Kölner MTC, und ganz ehrlich: Wirklich wärmer als draußen ist es im MTC nicht. Der Clubbesitzer gibt mir zu verstehen, dass es die Heizung „doch eh nicht bringt“ und deshalb einfach aus bleibt. Bleibt die Wollmütze eben auf meinem Kopf.

Nach anderthalb Stunden des Wartens inklusive eines grottigen Supports ist es soweit: Die 28jährige Tamaryn betritt mit ihren Bandkollegen die kleine Bühne. Fast unscheinbar beginnt Gitarrist Rex John Shelverton das Set mit „Choirs of Winter“. Schon der Opener verspricht – mit all seiner Kühle – was der Auftritt in der nächsten Stunde einhalten wird. Träumerische Klanglandschaften unendlicher Weite und doch „gefangen“ in einer Schneekugel.
Der Sound von Tamaryn umgibt einen förmlich und zieht in seinen Bann. Die Schneeflocken sind auf der Haut zu spüren, wie sie sich niederlassen und dort eine bisschen verweilen, bis sie sich doch entschließen, das Gesicht als Träne zu erkunden. Schöne Traurigkeit as its best.

So verdichtet der Sound von Tamaryn seinen Hörer auch erfasst, optisch wirkt das Quartett eher statisch. Kaum eine Regung, geschweige denn Kommunikation mit dem Publikum. Nicht die Stärke Tamaryns. Ihren Blick starr in den Publikumsraum gerichtet, steht sie da oben und singt mit stark verhallten Vocals den Track „The Waves“ vom gleichnamigen Debütalbum. Eine Augenweide von einer Frau, ja fast schon divenhaft mit ihrem Glitzerkleid, versprüht sie aber trotzdem eine gewisse Nähe. Nie zu nah, immer die nötige Distanz gewahrt, küsst die warme Stimme die fast getrocknete Schneeflocke von der Wange. Allerhöchste Zeit meine Wollmütze abzunehmen.

In diesen Momenten erreicht Tamaryns Dreampop eine Dimension, die ich bisher selten gehört habe. Anfänglich war ich etwas skeptisch was den Ambient-Sound angeht. Vielleicht doch zu viele Soundflächen, die mit dem eingebetteten Gesang große Probleme für den Mischer darstellen könnten – doch weit gefehlt. Und das obwohl der Gitarren-Amp von Rex nicht regelbar ist. Er sagte mir nach dem Gig, dass sein Master-Volume-Regler kaputt gegangen ist und sich nicht mehr verstellen lässt. Und dieser steht, wie soll es auch anders sein, auf Vollanschlag. Jaja, ist klar.

Satt, trocken und klar, wie die Eiseskälte in hochgelegenen Gebirgen, atme ich die schwere Luft, hoch auf dem Weg zur Glaskuppel der Schneekugel. Dort oben angekommen ist die knapp einstündige Expedition mit der Zugabe „Light Shadows“ beendet. Eine regelrechte Entspannung macht sich in mir breit. Für den Moment genau richtig, doch dann verspüre ich Gier nach mehr. Nach mehr von Tamaryn. Aber Tamaryn ist von dannen gezogen. Einmal schütteln bitte.

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Diskussionen

0 Comments
  1. posted by
    super-casi
    Dez 7, 2010 Reply

    schön, dass Marc so schöne Erlebnisse beim Tamaryn Konzert hatte. Die Musik war im Indra in Hamburg auf Dauer doch etwas langatmig, und dieses Posing mit Haare vorm Gesicht,ja garnicht in Publikum schauen und reden geht überhaupt nicht, ist schon fast ein bischen albern. Das hatten wir Anfang der 90er und mit dem Revival dieser Musik muss man das doch nicht auch wieder rausholen. Und zu Tamaryn, der Sängerin: Suzy Banshee lässt grüßen.

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