Insecure Men – „Insecure Men“ (Album der Woche)

Insecure Men - „Insecure Men“ (Album der Woche)

Insecure Men – „Insecure Men“ (Fat Possum)

Wenn selbst die notorischen Berufs-Hedonisten Fat White Family Dich wegen Deines hohen Drogenkonsums aus der Band werfen, dann bist Du ganz unten angekommen. Genau an diesem „Rock Bottom“ befand sich Saul Adamczewski im Jahr 2015: „Ich geriet in eine Abwärtsspirale. Ich hab bei einem Kumpel auf dem Boden geschlafen und den ganzen Tag nur Crack geraucht“, so der britische Songwriter. Dann war klar: Eine neue Band musste her, ein Ausgleichsprojekt, das alle toxischen Eigenschaften der Fat White Family ausbalancieren konnte. Insecure Men waren geboren.

Ein Bandprojekt als Zölibat-Ersatz – das klingt im Kontrast zu der im Rock‘n‘Roll oftmals gepredigten sexy Selbstzerstörung erst einmal furchtbar langweilig. Adamczewski und Ben Romans-Hopcraft, Sänger der Londoner Shoegaze-Dream-Pop-Newcomer Childhood und das zweite Vollzeitmitglied im Bund der unsicheren Männer, scheint das egal zu sein: Auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum verwandeln sie Abstinenz in lupenreine Pop-Musik. Unterstützung erhalten die beiden dabei von einem Dutzend befreundeter Musiker, die hier und da zur Band dazustoßen. Darunter auch Sean Lennon, in dessen New Yorker Studio seinerzeit auch die ersten Songs entstanden.

Die Melancholie im Lounge-Pop

Dabei hat Adamczewski zum Glück nicht die beste Eigenschaft seiner alten Band abgelegt: die Liebe zu Melodien. Wo diese bei der Fat White Family noch durch deren anarchischen Garage-Country-Punk gefiltert wurden, erklingen sie bei den Insecure Men kristallklar aus den Boxen, von der wunderbar verschlafenen Hookline im Opener „Subaru Nights“ bis zu den ansteckenden Ooohs und Ahhs der Single „Teenage Toy“. Die Instrumentals sind mit zahlreichen beseelten Ideen besprenkelt: Augenzwinkernde Yacht-Rock-Saxophone und Synthesizer geben sich die Hand, während ein Vibraphon angenehme Lounge-Pop-Assoziationen über die elf Songs verteilt.

Während auf musikalischer Ebene die guten Vibes überwiegen, versteckt Adamczewski die Melancholie in den Texten. Der von außen betrachtet ziemlich süße Sixties-Throwback „I Don‘t Wanna Dance“ ist ein als Liebeslied getarnter Trennungssong. Und in „The Saddest Man In Penge“ erzählt er ungefiltert von tiefen Drogentälern, begleitet von Van-Morrison-Harmonien.

Mittlerweile haben sich Adamczewski und seine Fat White Family wieder versöhnt. Welch ein Segen, dass er nun die Insecure Men an seiner Seite hat, um seine Altlasten zu überwinden – und nebenbei eines der schönsten Pop-Alben des Jahres abzuliefern.

Veröffentlichung: 23. Februar 2018
Label: Fat Possum

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