Jenny Lewis – „The Voyager“ (Warner)
Man muss schon genau hinhören, um „The Voyager“ als den Verarbeitungsprozess diverser Traumata zu erkennen, als den Jenny Lewis die Entstehung ihres dritten Albums bezeichnet. Denn der mühelose Indie-Pop dieser Platte spricht eine andere Sprache. Die der unbeschwerten 60er-Girlgroups, des lässigen 70er-Softrocks und der selbstbewussten 90er-Poptunes. Textzeilen wie „I’ve been wearing all black since the day it started“ oder „I’ve been losing sleep and I cannot sit still“ konterkarieren diesen Eindruck. Jenny Lewis durchlitt für „The Voyager“ sowohl den Tod ihres Vaters als auch die Auflösung ihrer Band Rilo Kiley. Die immerhin dürften das Soundgerüst der US-Amerikanerin maßgeblich beeinflusst haben. Immer wieder schimmern jene Folk- und Americana-Fragmente durch, die auch den Sound Rilo Kileys bestimmten. Americana-Erneuerer Ryan Adams wird als maßgeblicher Produzent ebenfalls seinen Teil dazu beigetragen haben. So setzt vor allem das letzte Drittel von „The Voyager“ auf Middle-West-Twang und Rock-Country.
Zuvor regiert die West Coast. Jenny Lewis’ liebreizender Gesang cruist zu aufgekratzten Soundflächen aus dumpfen Gitarren, blubberndem Bass und straighten Drums. Ein zuckriges Glockenspiel veredelt das von Beck (!) produzierte „Just One Of The Guys“, ein Schellenkranz das Stevie-Nicks-inspirierte „Late Bloomer“. Damit die Lebensfreude nicht überschäumt, sorgen verwaschen-verzerrte Sounds für die Vertiefung des vermeintlich Oberflächlichen. „Slippery Slopes“ rockt mit seinen knarzenden Gitarren eher in Surf-Manier, das bereits erwähnte „Just One Of The Guys“ setzt den Motown-Girlgroups die rotzige Garage-Attitüde von Bands wie Vivian Girls oder Best Coast entgegen.
Manche Künstler entwickeln sich durch Neuerfindung. Jenny Lewis dagegen ist das gelungen, was Kunst eigentlich ausmacht: dem ureigenen Stil durch innere Häutung auf die Spur zu kommen. „The Voyager“ ist das bemerkenswerte Ergebnis dieses Prozesses.