King Krule – „Man Alive!“ (Album der Woche)

Cover des Albums „Man Alive!“ von King Krule

King Krule – „Man Alive!“ (XL Recordings)

„Bathed In Grey“, „Baby Blue“, „Lonely Blue“ – Songtitel von King Krule zelebrieren ein Color-Blocking der etwas anderen Art. Zum schlierigen, leicht kaputten Graustufen-Jazz von Archy Marshall, wie der Brite bürgerlich heißt, passt das natürlich außerordentlich gut.

Sein Debüt „Six Feet Beneath The Moon“ changierte zwischen energetischen Ausbrüchen und introvertierten Fluchten, auf „The Ooz“ wand sich Marshall auf einer sechzigminütigen Tour de Force durch die Räudigkeit Süd-Londons und seines Lebens. All seine bisherigen Alben verbindet: ein diesiges Gemisch aus Separation und Septakkorden, durch das ab und an wärmende Melodien wie gleißende Sonnenstrahlen brechen.

Nun also „Man Alive!“, Album Nummer drei unter dem Alias King Krule. Alles bei Alten? Nun ja, da ist die Wut in „Stoned Again“, die schlummernde Euphorie von „The Dream“ und der Downer „(Don’t Let The Dragon) Draag on“. Zusätzlich verstärken Tracknamen wie „Perfecto Miserable“ den Anschein, dass sich in Marshalls Gesamtwetterlage – ergiebiger Nieselregen gepaart mit Gegenwind – wenig getan hat. Sobald man aber dem sanft-schroffen Track ein Ohr leiht, fällt trotz knurrenden und zitternden Gitarren auf: Das ist ja ein Lovesong. Zwar verzweifelt, aber jemand scheint Marshall in die Sonne gestellt zu haben.

Balanceakt zwischen Optimismus und Pessimismus

Dann direkt im Anschluss: „Alone, Omen 3“. Hier singt Marshall über einen lässigen Kopfnicker-Beat und eine sich hin- und herwiegende Gitarre „You’re not alone“ und meint es. Marshall ist Vater geworden. Seine Partnerin, die Fotografin Charlotte Patmore, hat im Frühjahr 2019 die gemeinsame Tochter zur Welt gebracht. Und das ändert wohl die Perspektive. Statt den Einzelgänger-Geist zu beschwören, baut Marshall mit dem Song eine Wagenburg, die seine Tochter mit Positivismus und Geborgenheit umschließen soll.

Und Obhut ist nicht das Schlechteste. So thematisiert der Opener „Cellular“ die unwirkliche Unmittelbarkeit, mit der Smartphones uns an den Ereignissen der Welt teilhaben lassen. Zu blubbernd-aufsteigenden Synths, träge summender Gitarre und pumpendem Beat fasst Marshall das Dilemma konkret zusammen: „There’s a massacre / Across the earth / Across the ocean / I can see it / In the palm of my hand“. Er bleibt in der Smartphone-Metapher und zeigt die Konsequenzen dieser Gleichzeitigkeit: „We’re losing signal / We’ve lost connection.“

„Energy Fleets“ fixiert den Balanceakt zwischen Optimismus und Pessimismus, den Marshall auf „Man Alive!“ versucht. Eine traurig-brummende Gitarre wandelt sich zu einer Walzer tanzenden Begleitung. Der Track schwillt immer weiter an, ein tröstendes Saxofon und Feedback kommen hinzu. Und Marshall schnoddert voller Hingabe: „It’s such a funny life.“ Also alles beim Alten? Fast. Zwei, drei Farbtupfer sind dazu gekommen.

Veröffentlichung: 21. Februar 2020
Label: XL Recordings

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    Mario
    Feb 22, 2020 Reply

    Ein „diesiges Gemisch aus Separation und Septakkorden, durch das ab und an wärmende Melodien wie gleißende Sonnenstrahlen brechen“ – die Rezensionen hier sind echt immer wieder sehr gut geschrieben!

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