Konzertbericht: Former Ghosts in Hamburg

Die Hamburger Astra Stube ist ein gemütliches Stübchen: Von der Tür aus fällt man direkt auf die Bühne. Distanz zur Band gibt es nicht. Nur eine Stufe trennt die Musiker von Former Ghosts von ihrem Publikum, das nach und nach den ganzen Raum einnimmt.

Die US-Amerikaner Freddy Ruppert und Jamie Stewart betreten, noch in Anorak gekleidet, die Bühne. Ruhig, fast schon leicht nervös wirkt Ruppert, als er mit Stewart einen flüchtigen Soundcheck macht. Die Synthesizer sind vorbereitet, die Percussions stehen schlagbereit und nach einer kurzen, schüchternen Ansage nimmt der Song „New Orleans“ seine Klanggestalt an.

Schon bald erfüllen Former Ghosts den Raum mit einem Spuk, dessen schaurige Eigenschaft jeden Einzelnen aus dem Publikum berührt. Ruppert wirkt wie von einem Dämon besessen – einem bösen Geist namens Liebeskummer. Und diesen emotionalen Schmerz schreit er sich aus dem schmächtigen Leibe. Sein Gesicht ist verzerrt, der Schweiß steht ihm auf der Stirn. Die Musik hat ihn in seinen Bann gezogen und zerrt an seinem musikalischen Dasein.

Während Stewart mit geschlossenen Augen und beherrschter Haltung die Synthesizer betätigt, die Regler rauf und runter dreht und aus dem Affekt heraus auf die Trommeln schlägt, hüpft, zuckt und schüttelt sich Ruppert. Er schlägt sich auf die Brust und fleht dabei repetitiv: „I’m begging you to not break this heart again.“

Fast schwarz wirken seine Augen, wenn er apathisch nach Stewart schaut und sich ruhelos auf die Tasten stützt. Und nach jedem Song folgt ein tiefer Seufzer, der die bitterliche Verausgabung des Sängers vollendet. Im Publikum ist es sonderbar still. Es hat eine berührende Empathie entwickelt und keiner wagt es, sich über das Spektakel zu äußern.

Die Stille wird erneut von elektronischen Klängen gebrochen. Ruppert erzählt uns von süßen Träumen, von einzigartigen Begegnungen, aber er singt auch davon, wie Träume und Hoffnungen ins Gegenteil kippen. Desillusioniert und verletzt schreit er auf, kniet zu Boden und wirkt plötzlich wie ein verstörter Junge, der doch nur nach Liebe und Geborgenheit sucht.

Die post-punkigen Klangwände bäumen sich schließlich zu einem Feuerwerk aus Schall und Lärm auf. Arhythmisch schlägt Stewart mit voller Wucht auf die Trommeln und Becken, während Ruppert gegen den magischen Noise ansingt. Es sind das bittersüße Grauen und nicht zuletzt die Verausgabung der beiden Musiker, welche das Publikum faszinieren.

Kurz vor dem letzten Song kehrt Ruppert dem Publikum den Rücken. Er atmet schwer und man fragt sich, ob er vielleicht weint. Doch dann dreht er sich wieder um und bedankt sich dafür, dass man so zahlreich erschienen ist. Aus dem Publikum ruft eine weibliche Stimme „Thank you for playing!“ und auf dem Gesicht Rupperts zeichnet sich ein Lächeln ab.

Weitere Konzerttermine von Former Ghosts:

10.03.2011 Freiburg – Slow Club

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