Masayoshi Fujita & Jan Jelinek – „Schaum“ (Rezension)

Cover des Albums Schaum von Masayoshi Fujita & Jan JelinekMasayoshi Fujita & Jan Jelinek – „Schaum“ (Faitiche)

Veröffentlichung: 9. September 2016
Web: Masayoshi Fujita & Jan Jelinek beim Label Faitiche
Label: Faitiche

8,0

Das Vibrafon ist ein Instrument, das viele zunächst an Jazz, Lounge Music oder Exotica denken lässt. Der Japaner Masayoshi Fujita zeigt jedoch seit vielen Jahren, wie gut es sich auch im Rahmen elektronischer Musik einsetzen lässt. Indem er sein Vibrafon aufwändig mit mechanischem Spielzeug und Metallobjekten präpariert, bringt er Sounds hervor, die sich jedem Klischee entziehen und sich perfekt mit Ambient-Klängen und elektronischen Effekten verbinden lassen. „Schaum“, das aktuelle Album in Zusammenarbeit mit dem Berliner Elektroniker Jan Jelinek, ist das jüngste Beispiel dafür.

Beide Musiker arbeiten bereits seit 2010 immer wieder zusammen – das gemeinsame Debüt „Bird, Lake, Objects“ erschien als eine der ersten Veröffentlichungen auf Jelineks eigenem Label Faitiche. Freie Improvisation auf Vibrafon und Modularsynthesizer bilden – damals wie heute – die Grundlage der Stücke. Doch während das Debüt in einer Art Live-Situation aufgenommen wurde (in den Linernotes ist von Raummikrofonen die Rede), spricht Jelinek im Info zu „Schaum“ von einer Mischung aus neuen Aufnahmen und vorhandenem Material, was mehr Raum für Arrangement und nachträgliche Bearbeitung lässt.

Auf früheren Alben des Duos schienen elektronische Loops und Synthesizer-Texturen oft gleichberechtigt neben klar erkennbaren Vibrafon-Sounds zu stehen. „Schaum“ klingt im Gegensatz dazu homogener, der Anteil der beiden Musiker ist schwerer zu unterscheiden und der großen Klangdichte stehen eher langsame musikalische Bewegungen gegenüber. Etwa beim Opener „Cin“, der sich zeitlupenhaft aus einem anfangs verhalten wabernden Rauschen heraus entwickelt: Hier decken die dichten Synthesizer-Schichten die vereinzelt durchscheinenden Vibrafonklänge beinahe zu. Bei den folgenden Tracks hat man oft das Gefühl, irgendetwas ist am Wachsen: Melodische Figuren erheben sich aus einem Bodensatz aus dichtem Rauschen und tief pochende Vibrafon-Loops mischen sich mit kleinteiligen Rhythmusfiguren; bei „Helio“ vom Tempo her noch sehr bedächtig und gravitätisch, beim folgenden „Urub“ werden die Klangfarben dann schon etwas heller, das Tempo etwas erregter, sogar einige mysteriöse Geisterorgeln sind auszumachen.

Die schwüle, somnambule Stimmung des Albums erklärt Jelinek in den Linernotes mit seiner langjährigen Beschäftigung mit dem Thema „Tropen“. Für zwei Radiostücke für den SWR produzierte er artifizielle Dschungel- und Regenwald-Kulissen; Material, auf das er auch auf „Schaum“ zurückgreift. Eine andere von Jelinek zitierte Referenz ist der 1915 erschienene Reiseroman „Tropen“ von Robert Müller. Dort werden Bilder von üppig wuchernder Vegetation, vom „Schmatzen“ und „Schlürfen“ sumpfiger Flussgebiete, von „klebriger Stille“ und „knisternden Rhythmen“ heraufbeschworen. All diese Regungen kann man gut auf die Tracks von „Schaum“ übertragen: den Ruf imaginärer Tropenvögel, das Flirren artifizieller Insekten, unbestimmte bedrohliche Mitternacht-Stimmungen („Botuto“) oder das psychedelische Torkeln von „LesLang“. Was sich beim oberflächlichen Durchhören bloß wie eine Collage wabernder Ambient-Sounds anhört, entwickelt sich dank dieses Bilderreichtums schnell zu ganz eigenständigen Erzählungen. So klingt „Schaum“ am Ende nach rauschhafter Wassermusik, schwülem Fiebertraum und exotischem Dschungelabenteuer zugleich.

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