Serena-Maneesh – "No 2: Abyss In B Minor"

PicastroSerena Maneesh – „No 2: Abyss In B Minor“
VÖ: 26.03.2010
Web: www.myspace.com/serenamaneesh
Label: 4AD
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Vorfreude – in diesem Fall ausgelöst von einigen Soundclips – kann manchmal auch zum Problem werden, und zwar wenn das Ergebnis zunächst nicht so klingt, wie man es sich vorgestellt hat. Ähm… was stört denn hier? Sind es die zwischen einzelnen Songs platzierten Soundspielereien, deren Zweck sich nicht so wirklich erschließen will? Ist es die Pseudo-Rock-Attitüde, die den fünften und den sechsten Song durchweht? Andererseits gibt es hier doch großartige Pop-Momente, zwar eingebettet in Lärm, aber immerhin. Und dann ist da auch noch dieses wunderbare Vibraphon gegen Ende des letzten Songs… – das hier kann nicht falsch sein!

Ist es ja auch nicht, aber manchmal dauert es eben etwas länger, bis das Fünf-Cent-Stück fällt.

Der (gedachte) My Bloody Valentine-Gedächtnispreis-Wanderpokal geht ‚mal wieder auf Reisen, diesmal von Daffodil Hill/Kalifornien, wo ihn die Band Fleeting Joys für ihr Album „Occult Radiance“ (2009) aufbewahren durfte, in die Hauptstadt Norwegens – also nach Oslo zu Serena-Maneesh für ihr aktuelles Album „No 2: Abyss in B Minor“. Der Titel deutet es schon an – das hier ist das zweite „richtige“ Album des Musiker-Kollektivs um Emil Nikolaisen. Vom durchaus anstrengenden selbst betitelten Debüt-Album aus dem Jahr 2006 dürfte vielleicht noch am ehesten „Drain Cosmetics“ in Erinnerung sein, zudem gab es im Jahr 2008 mit „S-M Backwards“ eine Doppel-CD mit Songs aus der frühen Schaffensphase der Norweger.

Mit „Abyss In B Minor“ sind Serena-Maneesh nun beim renommierten Label 4AD angekommen. Dessen Pressetext zufolge fanden die Aufnahmen für das Album in einer Höhle am Rande Oslos statt; Studioumgebungen gehen dem Emil nämlich angeblich auf den Wecker. Unklar ist, ob Emil Nikolaisen tatsächlich alle der mehr als zwanzig Musiker, die an der Entstehung von „Abyss In B Minor“ beteiligt waren, in die Höhle geschleppt hat – das Ergebnis jedoch ist beeindruckend.

Der furiose Opener „Ayisha Abyss“ rauscht sich zunächst eine Minute lang in das Album hinein, nimmt dann Fahrt auf, ist zumindest für die nächsten knapp sechs Minuten nicht zu stoppen und scheint dabei einige der Höhlengänge zu durchwandern. Emil Nikolaisen lässt sich zu elektronisch verfremdeten Gemurmel hinreißen, und am Ende schlägt niemand geringerer als Sufjan Stevens ein paar Klaviertasten an.

Danach tritt Sängerin Lina Wallinder, deren Stimme das Album nachhaltig prägt, erstmals in Erscheinung. Ihr gehören die großen Pop-Momente, und das knackig-kurze, treibende „I Want To See Your Face“ ist ein solcher. „Reprobate!“ erscheint nicht weniger dringlich, und wieder bildet der sanfte Gesang Wallinders das ausgleichende Element in dieser tour de force. Das wunderschöne „Melody For Jaana“ ist ganz nah an MBV und gibt Gelegenheit zum Inne halten – so lieblich kann ein dröhnendes Soundgebilde klingen.

„Blow Yr Brains in The Morning Rain“ hört sich ein wenig so an wie sein Titel. Die hier zur Schau gestellte Rock-Attitüde ist eben genau nur das: zur Schau gestellt; sie ist zum Glück nicht ernst gemeint und damit auch nicht weiter schädlich. Mit dem dröhnenden „Honeyjinx“ ziehen sich Serena-Maneesh dann noch einmal tief in die Höhle zurück, bevor wieder einer dieser unwiderstehlichen Pop-Augenblicke folgt. Nikolaisen kombiniert Lina Wallinders eingängige Sangesmelodie und Sufjan Stevens Flötenspiel mit verquaster Elektronik, und damit klingt „D.I.W.S.W.T.T.D“ in etwa wie Stereolab (auf Speed). Mit dem lässigen „Magdalena (Symphony #8)“ beweist Emil Nicolaisen nochmals seine Fähigkeien als Songwriter. Sufjan Stevens bläst wiederum die Flöte und – viel wichtiger – spielt das wunderbare Vibraphon, das unweigerlich für eine Gänsehaut sorgt.

Irgendwie ist es kein Wunder, dass Kevin Shields uns kein neues Album schenkt, wenn es zumindest gelegentlich derart guten Ersatz gibt. Die MBV-Referenzen sollten dabei nicht falsch verstanden werden; dieses Album von Serena-Maneesh steht durchaus für sich selbst. Man sollte sich zudem nicht immer auf seine anfänglichen Zweifel verlassen. Auch wenn es noch viel zu früh ist, dieses Wort überhaupt in den Mund zu nehmen, aber „Abyss In B Minor“ ist etwas für die vorderen Plätze der Jahresbestenliste. So also klingt ein „Abgrund in h-Moll“? Großartig!

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