Shibuya-Kei? Ausflug in ein japanisches Microgenre mit Pizzicato Five

Foto der Shibuya-Kei-Pioniere Pizzicato Five, deren Song „Moderns“ heute unser Track des Tages ist.

Maki Nomiya und Yasuharu Konishi, die letzte Besetzung von Pizzicato Five

Musik, die wie ein Zerrspiegel von westlicher Pop-Musik der 60er-Jahre klingt und dennoch unverkennbar japanisch ist. Herzlich willkommen im Shibuya-Kei, eines der faszinierendsten Microgenres des Indie-Pop. In den 80er-Jahren begannen Bands in Shibuya, dem hippen Viertel in Tokio, den barocken Kitsch von Burt Bacharach und die Wall of Sound von Phil Spector mit zeitgemäßem Alternative-Rock und japanischen Einflüssen zu verbinden.

Eine der einflussreichsten Bands dieses Genres war Pizzicato Five. Zum Beginn der 80er-Jahre war die Gruppe, deren Besetzung munter wechselte, noch eine Easy-Listening-Formation. Ein paar Jahre später waren sie eine Mash-up-Maschine, die so ziemlich jeden Stil aufsog, den sie in die Finger bekam. Ähnlich wie Plunderphonics-Acts im Westen vermischten sie Club-Sounds, kitschigen Plastic-Soul der 70er und 80er und Psych-Rock mit dem, was heute J-Pop genannt wird. Damit hatten sie nicht nur in ihrer Heimat Erfolg. In den USA veröffentlichte das Label Matador ihre Alben. Die Tastemaker des USA-Indies brachten Shibuya-Kei in den Westen.

Pizzicato Five waren produktiv: Seit Erscheinen des ersten Albums „Couples“ (1987) veröffentlichten sie pro Jahr eine LP. Die letzte, „Çà et là du Japon“, erschien zum Beginn des Jahres 2001 – 13 Alben in 13 Jahren. Auf dieser LP findet sich das Stück „Moderns“, was den Charakter von Shibuya-Kei wunderbar darstellt: Die erste Melodie ist eine Variation auf das „Oriental-Riff“, erstmals 1847 verwendet in einer Musical-Aufführung von „Aladin“. Das spätestens durch seine Verwendung in „Kung Fu Fighting“ unsterblich gewordene Motiv („Da-da-da-da-daa-daa-daa-daa-daa“) ist ein ultimativ ignorantes Klischee über „orientalische“, „exotische“, „asiatische“ Musik, komponiert von westlichen Komponisten im 19. Jahrhundert. Pizzicato Five fusionieren es mit ihren eigenen Klischees vom westlichen Pop. Ein Zerrspiegel gegen einen Zerrspiegel.

Das Stück „Moderns“ vom Album „Çà et là du Japon“, das in diesen Tagen 20 Jahre alt wird, ist unser Track des Tages. Hört es Euch hier an:

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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