Sleater-Kinney – „The Hot Rock“ (Kill Rock Stars)
In einer Zeit, in der der große US-amerikanische Grunge- und Indie-Rock-Boom langsam abebbte, wirkte „Dig Me Out“ wie eine Handgranate. Das 1997 veröffentlichte dritte Album von Sleater-Kinney war eine Kampfansage in 36 Minuten. 13 Songs, in denen Corin Tucker und Carrie Brownstein mit ihren verzahnten Stimmen und Gitarren gegen die sexistische Musik-Industrie austeilten, angespornt von Janet Weiss‘ peitschenden Schlagzeugwirbeln. „Dig Me Out“ wurde quasi sofort ein Klassiker, der den eingeschlafenen Alternative-Rock wieder gefährlich wirken ließ. Was konnte die Band darauf folgen lassen?
Die Antwort liefert das vergleichsweise langsam schwelende „The Hot Rock“ am 23. Februar 1999 – vor genau 20 Jahren. Ein Album, das mit der kathartischen Wut von „Dig Me Out“ nicht viel zu tun hatte. Am Mischpult saß Roger Moutenot, der zuvor Yo La Tengos Dream-Pop-Meisterwerk „I Can Hear The Heart Beating As One“ produzierte. Gemeinsam kehrten sie den Sleater-Kinney-Sound nach Innen. Tucker und Brownstein schrammelten nicht mehr Punk-Akkorde, sondern ließen sich gegenseitig umarmende Melodien aus ihren Sechssaitern fließen.
Eine verletzliche Anomalie
Mit dieser Introspektivität kam auch eine neue Dunkelheit. Tuckers langgezogenes „You aaaare“ im ersten Song „Start Together“ hat eine an Goth-Rock erinnernde Schwere. Unter die Uptempo-Tracks mischten sich Balladen, in denen beide Sängerinnen sich von ihrer verletzlichsten Seite zeigen. „A constant reminder / I’ll die in this room / If you die in this room“ ist eins der lyrischen Highlight, das Brownstein in „The Size Of Our Love“ singt. Mit herzzerreißend direkten Worten beschreibt sie eine Liebe, die genauso groß wie das Loch im Boden ist, in dem die Liebenden begraben werden. Und selbst die lauten, schnellen Songs wirken mehr verzweifelt als wütend: „Let the last storm hit us / Let it strike at the hardest part“, singt Tucker in „The End Of You“, während die immer wieder in fiese Dissonanzen abdriftenden Gitarren Schweißperlen auf die Stirn treiben.
Auf späteren Alben wie „All Hands On The Bad One“ oder „No Cities To Love“ kehrten Sleater-Kinney wieder zur konfrontativen Rock-Musik zurück. „The Hot Rock“ bleibt eine Anomalie und ist trotzdem so sehr Riot-Grrrl wie alle krachigen Vorgänger und Nachfolger. 13 Songs, die zeigen was passiert, wenn die drei wütendsten Künstlerinnen ihrer Generation plötzlich ihre unverschleierte Verletzlichkeit demonstrieren. Während andere Sleater-Kinney-Platten aufwühlen und einen auf die Straße treiben, lädt „The Hot Rock“ dazu ein, sich lange in diese Platte zu versinken – auch 20 Jahre nach ihrer Veröffentlichung.
Veröffentlichung: 23. Februar 1999
Label: Kill Rock Stars