The Feelies: Debütalbum „Crazy Rhythms“ wird 40 Jahre alt

Cover des Album „Crazy Rhythms“ der Band The Feelies, das vor 40 Jahren erschienen ist

The Feelies – „Crazy Rhythms“ (Stiff Records)

Ende der 70er-Jahre, als Punk noch die alternative Gitarren-Musik regierte, gab es eine Band, die sich dem nach außen gekehrten Exzess dieser Musik verweigerte. Die wusste, dass das Innenleben eines jungen Menschen genauso verwirrend und aufwühlend ist, wie die Gesellschaft, die ihn umgibt. Die wusste, dass der ganz normale Alltag genauso chaotisch und aufregend wie ein Systemsturz sein kann. Diese Band hieß The Feelies.

Die US-amerikanischen Sänger und Gitarristen Glenn Mercer und Bill Million fanden 1976 zusammen. Mercer hatte bereits eine Band namens The Outkids, Million stieß dazu, nachdem er aus ihrem Proberaum ein Cover von The Stooges„I Wanna Be Your Dog“ scheppern hörte. Wenig später hießen sie The Feelies. Punk hatte sie von Anfang an beeinflusst, doch 1979, als sie die Arbeit an ihrem Debüt begannen, hatten sie ihn satt. Die stoischen Beats, die ewig übersteuerten Gitarren. Ihnen schwebte ein anderer Sound vor: clean, polyrhythmisch, nervös. Das Ergebnis hieß „Crazy Rhythms“ und erblickte im April 1980 – vor genau 40 Jahren – das Licht der Welt.

Jede Faser ist angespannt

Million und Mercer spielten ihre Gitarren nicht in Verstärker, sondern direkt ins Mischpult. Die Melodien graben sich ohne Umweg direkt in den Gehörgang. Viele Songs bestehen aus nur ein oder zwei Akkorden und dauern dennoch über fünf Minuten. Schlagzeuger Anton Fier verzichtet fast komplett auf Becken und reduziert sich auf den Herzschlag: Bassdrum, Tom, Snare. Als Ausgleich legte die Band ein polyrhythmisches Netz aus Percussions über die Songs, Dutzende Cowbells, Klanghölzer, Sticks, Shaker.

Songs wie der Opener „The Boy With The Perpetual Nervousness“ oder das siebenminütige „Forces At Work“ entfalten sich nahezu wie eine Steve-Reich-Komposition. Nach und nach schichtet die Band Rhythmus über Rhythmus, Ton über Ton. Sie klammern sich an einem Akkord fest, werden immer größer und unruhiger, bis die Spannung unerträglich ist. Jede Faser dieser Musik scheint angespannt. Selbst wenn sie die Beatles-Albernheit „Everybody‘s Got Something To Hide (Except For Me And My Monkey)“ covern, klingen sie so nervös wie ein Teenager kurz vor der mündlichen Prüfung.

Zappelige Small-Town-Angst

The Feelies griffen diese Musik nicht einfach aus der Luft. Einige Bands finden sich in ihrer DNA. Der knochentrockene, aufs Wesentliche reduzierte Punk der frühen Wire, der kantige Roboter-Rock von Devo. Mercers und Millions Stimmen singen mit einer Mischung aus Lou Reeds monotonem Murmeln und dem sarkastischen Sprechgesang von B-52’s-Sänger Fred Schneider.

Am meisten scheinen ihre Songs mit den geografisch nicht weit entfernt arbeitenden Talking Heads verwandt. Doch während David Byrne und Co. in New York Großstadt-Neurosen in zappeligen Art-Punk verwandelten, lebten The Feelies in der 10.000-Seelen-Gemeinde Haledon, New Jersey. Ihr kreativer Motor war die Small-Town-Angst. Es geht um erste Lieben. Um das konstante Warten, darauf, dass endlich etwas passiert. Um den permanent nervösen Jungen nebenan, der seiner Mutter nicht beim Einkaufen hilft. Weil er größere Pläne hat.

Nach dem Release von „Crazy Rhythms“ passierte bei The Feelies lange erst einmal nichts. Die LP verkaufte sich nicht besonders gut, Mercer und Million verloren sich für ein paar Jahre in Soloprojekten. Ihre Rhythmusgruppe stieg ganz aus. Es sollte ein paar Jahre dauern, bis sie ihr Publikum fanden. Prominente Fans wie R.E.M.-Gitarrist Peter Buck und Weezer-Chef Rivers Cuomo ließen sich von ihren nervösen Zuckungen inspirieren. Buck produzierte 1986 den Nachfolger „The Good Earth“, während das Cover von Weezers „Blue Album“ eine klare Referenz ist. Mittlerweile gilt „Crazy Rhythms“ nicht nur als eines der nervösesten, wunderbarsten Alben der 80er-Jahre – sondern als Meilenstein des Indie-Rock.

Veröffentlichung: April 1980
Label: Stiff Records

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