"Wir sind die Teletubbies." The Go! Team im Interview

„Was nur wenige wissen: Wir sind die Teletubbies.“ – „Ninja ist Tinkie Winkie!“ – „Haha, Du bist der pinke mit der Handtasche!“ – „Meine Güte…“

Ninja (3.v.r.) und Ian (3.v.l.) vom Go! Team sind an diesem Interviewtag zum neuen Album „Rolling Blackouts“ ziemlich gut gelaunt. So gut, dass Ninja sogar das Rezept für Go! Team Songs verrät. „Ian steckt eine Idee in einen Topf und verrührt sie mit ein bisschen Glockenspiel, einem Spritzer Blockflöte und einem Löffel Drums. Dann kommt alles kurz in den Backofen, danach kommt noch eine Glasur aus Samples drauf, alles wird auf Kassette überspielt und schon ist es fertig. Sehr lecker – und fettfrei!“ Dem hat dann auch Bandchef Ian Parton nichts mehr hinzuzufügen, in dessen Schlafzimmer die Geschichte des Go! Teams 2000 ursprünglich als Soloprojekt begonnen hat.

Huddle Formation by thegoteam

Am Laptop bastelte er damals aus unzähligen Samples verschiedenster Songs einen ganz eigenen Popsound, der mehrere Jahrzehnte und Genres in sich vereint. Die Mischung aus eingängigen und ungestümen Uptempo-Beats, Sing-A-Long-Melodien und einer Portion Noise begeisterte Radio-Moderator John Peel, und bald gab es zahlreiche Angebote für Auftritte. So stellte sich Parton eine Band aus Freunden und Freundesfreunden der an Musikern nicht gerade armen Szene von Brighton zusammen und brachte seine Songs auf die Bühne. Ninja war eines der ersten Mitglieder der Band und ersetzte auf der Bühne mit ihrem Freestyle-Rap die Vocal-Samples von Parton, was der Band eine neue Richtung gab. Vier Jahre später erschien mit „Thunder, Lightning, Strike“ das erste Album der mittlerweile sechsköpfigen Band, welches das Go! Team zu Lieblingen der Musikblogs machte und ihnen eine Nominierung für den Mercury Prize einbrachte.

Obwohl sich das Go! Team unbedingt als Kollektiv verstanden wissen will, war und ist der Kopf der Band Ian Parton. Er schreibt (bzw. bastelt) die Songs und produziert die Alben nach seinen Vorstellungen. Und auch wenn er großen Wert auf Melodien, Refrains und Ohrwurmqualität seiner Songs legt, will Parton eins auf keinen Fall sein: Pop.
Klingen seine Songs zu poppig, dann fühlt er sich schuldig: „Was mich so am Pop stört, ist diese ganze Welt, die das mit sich bringt. Natürlich möchte ich Songs machen, die eingängig sind und die man sich gerne anhört, aber nicht mit Blick auf irgendwelche Charts oder mit Hitparaden-Ambitionen“, so der Bandchef. „Ich mag den Ansatz von The Jesus & Mary Chain: Es ist einerseits Pop, andererseits Noise. Durch diese Wand aus Noise um die Songs liegt der Fokus mehr auf der Melodie und obwohl es eigentlich Pop ist, werden es Deine Eltern nicht mögen. Das ist so eine Art Abgrenzung. Symphonies for the kids, wie Phil Spector es genannt hat.“

Auch Rapperin Ninja hat keine Probleme damit, dass das Go! Team wohl niemals bei The Dome auftreten werden. Für sie ist das sogar von Vorteil. „Wir keine Mainstream-Band, die die Erwartungen von irgendeinem Label erfüllen muss. Wir haben viele loyale Fans, die unseren Sound lieben – diese Mischung aus Noise, Beats und Optimismus – das ist für mich der Go!-Team-Sound. Und solange wir diesem Sound treu bleiben, können wir tun, was wir wollen. Diese Freiheit hat nicht jeder.“

Grip Like a Vice by thegoteam

Neben Noise, Beats und Optimismus sind die wohl wichtigsten Zutaten des Go!-Team-Sounds die Samples, die Ian Parton in akribischer Kleinstarbeit zusammensucht. „Mit der Arbeit für das neue Album habe ich vor ungefähr zwei Jahren angefangen. Ich habe mich durch Tausende von Platten gehört, um zwei gute Sekunden zu finden. ‚Ja, das ist ein guter Drumbreak‘. Zwei Stunden später habe ich dann wieder etwas gefunden, und so habe ich mehrere Wochen zugebracht. Ich bin kein total bewanderter Musikexperte, der sagt: ‚Dieser eine Syl Johnson Track, der hatte doch einen großartigen Drumbeak.‘ Ich wühle mich eher durch Unmengen von Platten, bis ich etwas finde, das mir gefällt.“

Gerade diese Samplelastigkeit des Go! Teams hat der britischen Band von mancher Seite Kritik eingebracht. Hauptsächlich mit Fremdmaterial zu arbeiten sei nicht kreativ und man würde andere Künstler beklauen, die lange an den Songs gearbeitet hätten. Bevor das Debütalbum des Go! Teams 2004 veröffentlicht wurde, mussten aus rechtlichen Gründen sogar mehrere Samples ausgetauscht werden. Und überhaupt sei Sampling kein „richtiges“ Musikmachen. Gegen solche Vorwürfe wehrt sich Ian Parton entschieden. „Es ist vielleicht etwas anderes, als Songs zu schreiben, aber es ist eine Kunstform. Es ist eine seriöse Kunstform. Und es kann nicht jeder, dafür braucht man Können.“ „Man kann samplen und damit etwas vollkommen Neues und Eigenständiges erschaffen, oder man kann wie P. Diddy einfach einen bereits erfolgreichen Song nehmen, einen kitschigen Text drüberlegen und das dann seinen Song nennen“, fügt Ninja hinzu. „Da schmückt man sich einfach nur mit fremden Federn. Beim Go! Team werden Samples ganz anders benutzt.“

Wie sehr sich Ian Partons Art des Sampling von der von zum Beispiel (bei allem Respekt) P. Diddy unterscheidet, erklärt der Bandchef selbst. „Manchmal gibt es in einem furchtbaren Song zwei Sekunden, die großartig sind. Ich mag die Idee, Dinge zu retten, die sonst vergessen werden würden. Oder Parts, die eigentlich schlecht sind, rückwärts abzuspielen, sie zu verzerren oder andere Akkorde darüberzulegen, so dass sie am Ende Teil eines Ganzen sind und man nicht mehr zwischen Sample und Liveaufnahme unterscheiden kann. Mich haben schon immer Collagen fasziniert und die Idee, mehrere Jahrzehnte in einem Song zusammenzufassen, z.B. ein Drumbreak aus den 50ern mit einem Elektrobeat. Das ist meine Idee von Sampling, und nicht irgendjemanden zu beklauen.“

Überhaupt machten sich die Leute viel zu viele Gedanken um die Samples des Go! Teams, findet Nkechi Ka Egenamba alias Ninja, die mittlerweile zu so etwas wie dem Gesicht der Band geworden ist und 2005 vom NME zu einer der (Obacht!) 15 coolsten Personen des Musikbusiness gewählt wurde. „Die Leute sollten sich vor allem beim neuen Album bewusst sein, dass sehr viel von uns im Studio eingespielt wurde und nicht von vornherein annehmen, es seien alles Samples.“

Nicht nur die Band hat auf „Rolling Blackouts“ viel selbst eingespielt, auch eine Blaskapelle wurde ins Studio eingeladen, die auf mehreren Tracks des Albums zu hören ist. Für Ian Parton war das eine ganz neue Erfahrung. „Wir mussten viel arrangieren. Baritonsaxophon, Du spielst das, Trompeten, ihr spielt das- das war ich nicht gewohnt, da musste ich mich erstmal reinfinden.“ Damit die Blaskapelle zum leicht trashigen Sound des Go! Teams passte, verzichtete der große Sonic-Youth-Fan Parton absichtlich auf Studiomusiker. „Es waren alles 16-, 17-jährige Jugendliche. Dieser leicht amateurhafte und verstimmte Klang war mir besonders wichtig. Das macht es viel spannender. Ich mag es nicht, wenn es zu professionell klingt. Eigentlich habe ich immer nur ‚Lauter! Lauter! Lauter!‘ gerufen.“

The Go! Team – T.O.R.N.A.D.O by thegoteam

Zu professionell soll es nicht sein, das merkt man nicht nur an Partons Produktionsweise. Auch die Liveshows des Go! Teams wirken zeitweise ein wenig chaotisch. Ständig werden die Instrumente untereinander getauscht, jeder und jede muss alles spielen können, auch wenn er oder sie es nicht wirklich beherrscht.
„Wir haben nie versucht, besonders professionell zu sein, wodurch wir mittlerweile Experten darin sind, unprofessionell zu sein. Für uns funktionert diese ‚Stümperhaftigkeit‘ aber bestens“, sag Ninja zum Livekonzept der Band. „So ist es ist viel energetischer und spontaner. Und wir können die Songs immer und immer wieder spielen, hunderte Mal während einer Tour, und es wird nie langweilig. Und diese Energie überträgt sich auf das Publikum. Energie hat für uns eine viel höhere Priorität als Perfektion.“

Von der Energie des Go! Teams könnt Ihr Euch diesen März selbst überzeugen. Dann tourt die Band nämlich durch Deutschland, präsentiert von ByteFM. Die Rezension zum Album „Rolling Blackouts“, unserem Album der Woche, findet Ihr hier.

10.03.2011 Düsseldorf – Zakk
11.03.2011 Frankfurt – Brotfabrik
15.03.2011 München – 59:1
16.03.2011 Stuttgart – Schocken
17.03.2011 Berlin – Lido
18.03.2011 Hamburg, Uebel&Gefährlich

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