Zehn Fragen an: Sebastian Reier (Groovie Shizzl)

Zehn Fragen an: Sebastian Reier (Groovie Shizzl)

Seine Leidenschaft ist das interkontinentale musikalische Draufgängertum: Sebastian Reier

Funk aus dem Iran, ungarischer Hard-Rock, pakistanische Filmmusik, südfranzösische Disco, türkische Psychedelik – Sebastian Reier ist bei ByteFM der Mann für das, was andernorts „Weltmusik“ genannt wird. In seiner Sendung Groovie Shizzl oder live unter dem DJ-Namen Booty Carrell spielt der Hamburger eine wilde Auswahl an Klangerzeugnissen aus aller Welt. Wir haben den vielbeschäftigten Pop-Globetrotter und Vinyl-Archäologen über Reisefieber, seine Rolle im Golden Pudel Club und den Stellenwert von moderiertem Radio ausgefragt.

Sebastian, wie bist Du zu ByteFM gekommen?

Beim heiligen Bonifatius: Groovie Shizzl wird im September acht! Zum Start des Senders wurde ich von ByteFM-Gründer Ruben Jonas Schnell angesprochen. Aber wenn ich mich recht erinnere, habe ich mir das anfangs nicht zugetraut. Vielleicht hatte ich auch kein Sendungskonzept im Kopf, welches mir schlüssig erschien. Wie auch immer: Die Zeit war wohl noch nicht reif. Norman Müller von Sounds Outta Range hat mich dann aber finalement gefügig gemacht und seither bereitet mir das Senden große Freude.

Was machst Du, wenn Du nicht bei ByteFM moderierst?

Ich bin Vater eines Kindes, das ununterbrochen redet. Also höre ich in erster Linie zu und versuche, möglichst schlau zu antworten. Damit ist die halbe Woche rum. Der Rest ist der Musik gewidmet: Einen Tag, manchmal zwei, verbringe ich im Plattenladen Groove City in Hamburg und vermittle Schallplatten. An Wochenenden lege ich irgendwo auf oder halte vermehrt Schallplattenvorträge. Ich darf Musikproduktionen ersinnen und konzipieren, manchmal in Verbindung mit Theatern. Im Prinzip mache ich seit 20 Jahren das, was mir „vor die Flinte“ kommt. Ich bin somit ein klassischer „Hustler“ im Kulturbetrieb. Aber all dies macht großen Spaß und ich habe das Glück, ausschließlich mit Leuten zu arbeiten, die ich mag. Bei allem Geldmangel ein großer Luxus.

Als waschechter musikalischer Globetrotter kommst Du ziemlich viel in der Welt herum: Letztes Jahr warst Du unter anderem auf Tournee in Pakistan. Gibt es Orte auf dieser Welt, an die es Dich immer wieder zieht?

Zuhause! Im Ernst, ich bin wahnsinnig gerne zuhause. Aber überall dahin, wo ich Freunde habe, will ich auch wieder zurück. Denn meine Freunde wissen, wo es gute Platten gibt. Davon profitiert wiederum meine Sendung. Freunde und Plattenläden sind für mich wichtige Gründe, um zu verreisen. Natürlich nicht die einzigen, aber ich muss nicht alles gesehen haben. Menschen zu treffen, ist unbezahlbar.

Was bedeutet ByteFM für Dich?

Mindestens zweierlei: Da wäre zum Einen das Projekt ByteFM, welches Raum bietet in unterschiedlichster Form Musikbegeisterung zu vermitteln. Ein Radioprojekt, das auf die Qualität des Hörens und nicht auf die Quantität zielt. Und das mit Professionalität und enormer Ausdauer: Hier wird unermüdlich reflektiert, einander zugehört. Hier werden Kooperationen rangeschafft, das Equipment in Schuss gehalten – nichts ist egal. Das erfordert von allen Beteiligten, aber allen voran von Leitung und täglicher „Schichtarbeit“ enormen Einsatz. Dass dabei so ausgesprochen gute Laune herrscht, mag mancher für ein Wunder halten. In Wahrheit ist es der größte Verdienst des Teams. Und damit wären wir beim zweiten Punkt: Ich gehe da einfach wahnsinnig gerne hin, um Sendungen zu produzieren. In diesen Räumlichkeiten, inmitten dieser Crew, bin ich einfach glücklich.

Du veranstaltest regelmäßig Partys im Golden Pudel und legst selbst oft auf. Was macht Dir mehr Spaß: Auflegen im Radio (vor anonymem ZuhörerInnen) oder live (vor sichtbarem Publikum)?

Sicher: Im Radio hat man weniger Feedback. Aber davon jetzt Spaß abzuziehen, wäre doch ein „first world problem“ – ich finde es genial, dass ich beides machen darf. Nimmt man die Arbeit im Plattenladen dazu, bin ich Tag und Nacht damit beschäftigt, Musik zu vermitteln. Und das ist mein Traum!

In Zeiten von Algorithmen und automatisierten Playlisten: Wie definierst Du ganz persönlich Deine Rolle als Moderator? Welchen Stellenwert hat moderiertes Radio für Dich?

Die Rückgratlosigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks macht mich oft fassungslos. Ich denke, es gibt mehr als genug Hörerinnen und Hörer, die das Medium Radio mit den Charakteren verbinden, die es ins Zimmer bringen. Für diese Menschen ist Musik etwas persönliches und Persönlichkeit entwickelt sich weiter in Verbindung mit Neuem und – in unserem Fall – Ungehörtem. Menschen, denen Musik am Herzen liegt, gehen ein, wenn immer nur das Gleiche wiederholt wird. In Form einer Klangtapete, aufgepeppt durch von RadioberaterInnen gekaufte Hohlphrasen von „bester“ und „meister“ Musik. Ich erwarte nicht, dass Musik in jedem Leben eine zentrale Rolle spielt und meinetwegen soll und muss es das alles geben. Aber bitte nicht ausschließlich! Meinungsstarke Moderation und anregende Musikauswahl ist in Zeiten von NoBillag-Initiativen gefragter denn je. Und somit auch Sender, die nicht im Mainstream sedieren.

Hast Du eine Lieblingsausgabe von Groovie Shizzl bzw. eine Sendung, die Dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ehrlich gesagt nicht. Aber das ist nicht so schlimm, schließlich mache ich die Sendung nicht für mich. Ich höre sie selbst auch nur gelegentlich, dann aber meistens gern. Das geht im Rausch der Woche mit unterschiedlichsten Tätigkeiten, Reisen, Kinderbetreuung, neue Platten aufgeregt abhören usw. unter.

Was war das schönste Kompliment einer Hörerin oder eines Hörers?

„Mein Freund und ich sind im Urlaub einfach drinnen geblieben und haben im Byte-Archiv alle Deine Sendungen gehört.“

Hast Du eine Lieblingssendung bei ByteFM bzw. eine Empfehlung?

Ohne Wissen geht nichts im Musikradio. Trotzdem ist Wissen flüchtig. Denn im Radio hat man selten die hundertprozentige Aufmerksamkeit der HörerInnenschaft. Am Ende zählt die Begeisterung, die man vermittelt. Sie ist die Essenz, an die sich die HörerInnen erinnern. Und selbstverständlich tut die Musik ihr Übriges. Das weiss hier jeder, jedoch keiner besser als Norman Müller, dessen gesammelte Werke ich an dieser Stelle bedingungslos empfehle.

Was wünschst Du Dir für die Zukunft, für Dich und ByteFM?

Vieles! Und ich hoffe, dass ich weiterhin den ganzen Tag daran mitarbeiten kann, mit Familie, FreundInnen und KollegInnen: In erster Linie wünsche ich mir Frieden auf der Welt, mehr Versöhnlichkeit zwischen den Menschen. Dass sie einander akzeptieren und ihre Abstände als Wert begreifen. Musik kann dabei helfen, denn sie bringt zusammen. Besseres Radio, mutiges Radio hilft dabei im Austausch mit seinen HörerInnen. Für mich selbst wünsche ich mir einen Lehrstuhl für Vinylarchäologie. Und dass Radio Teil meines Einkommens ist. Reden wir nicht drumherum: Es wäre doch toll, dafür bezahlt zu werden, Radio unter seinen eigenen Bedingungen zu machen. ByteFM soll das kriegen, was es verdient: Besseres Breitbandnetz, damit es auch in Autos gehört wird, eine Million Mitglieder im Förderverein, weiterhin die besten Hörerinnen und Hörer des Planeten und mehr als genug Liebe und Geld, um den Laden am Laufen zu halten!

Groovie Shizzl mit Sebastian Reier – jeden zweiten Donnerstag von 22 bis 23 Uhr auf ByteFM.

Das könnte Dich auch interessieren:

  • Zehn Fragen an: Clarissa Lorenz (Orbit)
    Dass Clarissa Lorenz früh mit Soul, Breakbeats und Jazz sozialisiert wurde, hört man ihrer Sendung Orbit an. Wir haben mit unserer Moderatorin u. a. über die Anfänge ihrer Jazz-Leidenschaft und Lieblingsplaneten gesprochen. ...
  • Zehn Fragen an: Klaus Fiehe (Karamba)
    In seiner Sendung Karamba gibt Klaus Fiehe jede Woche einen gut informierten Überblick über all das, was man musikalisch gerade auf dem Schirm haben sollte. Wir haben mit unserem Moderator über die deutsche Radiolandschaft und musikalische Erweckungserlebnisse gesprochen....
  • Zehn Fragen an: Matthes Köppinghoff (Champagne Supernova)
    In Champagne Supernova widmet sich Matthes Köppinghoff alle vier Wochen britischer Musik in all ihren Spielarten. Zum zehnjährigen Jubiläum seiner Sendung haben wir uns mit unserem Moderator unter anderem über Klischees, beste Live-Konzerte und die Angst vor dem Mikro unterhalten....


Diskussionen

7 Comments
  1. posted by
    Jan
    Mrz 22, 2018 Reply

    Booty, er ist der beste Mann

  2. posted by
    Frank
    Mrz 22, 2018 Reply

    that’s the byte.fm spirit „in a nutshell“. well said, sebastian – danke, byte!

  3. posted by
    Bettina und Ella H.
    Mrz 26, 2018 Reply

    Zitat: „Mein Freund und ich sind im Urlaub einfach drinnen geblieben und haben im Byte-Archiv alle Deine Sendungen gehört.“ Na, das geht in meine Richtung: Ich wühle mich durch ein Teenager Zimmer, das seit einem Jahr nicht mehr gesaugt werden konnte und dabei stöbere ich ganz angenehm durch dein Archiv, lieber Sebastian: Aufräumen mit Musik aus aller Welt… was brauche ich da noch vor die Tür zu treten!
    …. und wenn der Zauber dann irgendwann vorbei ist —> alles verstaut und aussortiert, dann fange ich nicht nur in deinem Archiv einfach wieder von vorne an*:–/

  4. posted by
    Sebastian Reier
    Mrz 30, 2018 Reply

    Danke! Danke! Danke! Freu mich sehr, wenn sich zur Gemütergötzung auch noch Sauberkeit einstellt! Herzlich aus Hamburg, seb

  5. posted by
    xiaoxi Huang
    Feb 21, 2019 Reply

    Schoen bon 2025

  6. posted by
    Roland Brandt
    Feb 28, 2021 Reply

    Ohne Groovie Shizzl,Golden Glades, ByteFM ist ein Leben zwar möglich, aber viel ärmer! I love you all!Liebe Grüsse ! Roland 😉

  7. posted by
    Matthias K.
    Mai 16, 2022 Reply

    Hallo Sebastian,
    am 5. Mai letzter Woche habe ich Deine Sendung zum erstem Mal gehört, bin zwar schon ein paar Jährchen Freund von ByteFM, aber nie über Deine Sendung gestolpert, umso mehr war es eine Offenbarung in der letzten Woche. Habe die Sendung nun schon gefühlte 100 Mal und echte mindestens 20 Mal gehört und „nerve“ seitdem mein Umfeld damit….;-)
    Danke für diese tolle Sendung, freue mich schon auf die nächste und werde mich demnächst an die älteren Sendungen aus dem heranwagen.
    Matthias aus HH

Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.