22.10.: Musik gegen den Stumpfsinn


Der „Record Store Day“ ist in den USA und Großbritannien seit drei Jahrzehnten ein Tag zur Feier der kleinen, vom Aussterben bedrohten Musik-Biotope, sprich Plattenläden. Hierzulande wurde gleich eine ganze „Plattenladenwoche“ daraus. Diese wird nun zum zweiten Mal zelebriert. Vom 29.10. bis zum 05.11. bieten die teilnehmenden Händler allerlei Veranstaltungen und limitierte Tonträger an – auf Vinyl. Welche das sind, darüber kann man sich auf Spiegel.de oder am besten gleich auf der Homepage der Plattenladenwoche informieren.

Ebenfalls kündigt der Spiegel die Veröffentlichung einer neuen Tom Waits-Platte an, die der Künstler mit der Preservation Hall Jazz Band aus New Orleans eingespielt hat.
Auf 504 Stück limitiert, in einem Tempo von 78 RPM, das früher für Schellack-Platten üblich war, jedoch längst nicht mehr angewendet wird. Deshalb kann, wer kein entsprechendes Abspielgerät besitzt, einen maßgeschneiderten Plattenspieler dazuerwerben. Der Preis plus Platte: 200 Dollar.

Billiger und auf modernerem Medium erhältlich ist Elvis Costellos neues Album „National Ransom“, das heute erscheint. Auf der Webseite des deutschen RollingStone kann man schon mal reinhören.

Egal, ob als teure Vinyl-Special Edition oder als stinknormale CD, Musik ist ein beliebtes Weihnachtsgeschenk. Gleichzeitig bedeutet die besinnlichste Zeit des Jahres musikalisch gesehen aber auch die schlimmste Zeit des Jahres. Gegen nervtötende Dauerbeschallung mit stumpfsinnigen Weihnachtshits macht eine englische Facebook-Initiative mobil, die John Cages Avantgarde-Hit „4’33“ zum Weihnachtshit 2010 machen will. Schon im vergangenem Jahr versammelten sich 2009 eine halbe Million Facebook Nutzer, um „Killing In The Name“ von Rage Against The Machine zu kaufen und somit an die Spitze der britischen Weihnachtscharts zu katapultieren. Die Zeit glaubt, dass „Cage Against The Machine“ auch in Deutschland funktionieren könnte und stellt sich vor, wie wie Oliver Geißen in der Ultimativen Chartshow einfach mal 4’33 lang den Mund hält und sich Busse voller Teenies den Smash-Hit als Klingelton herunterladen.

Bleibt nur die Frage, ob die Kids den Track dann auch legal käuflich erwerben oder doch lieber illegal im Netz heruntersaugen. Gegen diese Praxis will nun Google vorgehen – allerdings nicht in Deutschland, sondern in Indien. Mittels eines Services, der für den Nutzer gezielt nach legalen Streams und Downloads sucht. Die Kooperation mit drei Anbietern digitaler Musik, welche die Rechte an hunderttausenden Tracks, von Bollywood-Hits bis hin zu indischen Klassikern, innehaben, soll der angeschlagene Musikindustrie des Landes aus der Krise helfen, wie das Wallstreet Journal schon vorgestern berichtete.

Wir bleiben in Indien. Denn dorthin sind die Autoren von Neugier.de gefahren um sich in wirtschaftsliberaler Manier über den dort bahnbrechenden Kapitalismus zu begeistern. Einige Journalisten des umstrittenen Kollektivs „Die Achse des Guten“ haben dieses neue Magazin gegründet um gegen das, was sie als „Klimahysterie“, „Bedenkenträgertum“, „Gutmenschentum und „allzu viel Verständnis für allzu einfache Probleme“ bezeichnen. Neugier.de erscheint nicht wie der Name vermuten lässt als Online Format, sondern als klassisches Hochglanz-Printprodukt ein bis zweimal im Jahr. Jetzt.de hat schon mal reingelesen und kritisiert, dass Probleme wie Armut und Gewalt fast völlig ausgeblendet würden.

Dafür beschäftigt sich ein ganz anderer mit diesen Themen, den man sonst nur als Witzemacher kennt. Michael Mittermeier ist nach Birma gereist, um dort einen Dokumentarfilm über einen politisch verfolgten Komiker zu drehen. Der Film ist gestern in den deutschen Kinos angelaufen, über dessen Entstehung sprach Michael Mittermeier tags zuvor mit jetzt.de.

Ebenfalls für Humor und politische Initiative steht Studio Braun. Gegründet 1998 von Jacques Palminger, Rocko Schamoni und Heinz Strunk, wurde das anarchische Trio vornehmlich für seine absurden Telefonstreiche bekannt. Nach der erfolgreichen Inszenierung von Schamonis Buch „Dorfpunks“ am Hamburger Schauspielhaus 2008, ist dort nun der nächste Streich von Studio Braun auf der Bühne zu sehen. „Rust – ein deutscher Messias“ ist ein Trash-Musical über den Kremlflieger von 1987, jenen deutschen Piloten, der damals für den „Weltfrieden“ und die „Verständigung zwischen unseren Völkern“ auf einer Brücke unweit des Roten Platzes in Moskau mit einem Flugzeug landete. Im Interview mit spiegel.de erzürnten sich Schamoni und Palminger jedoch vor allem über die Rotstift-Kulturpolitik der Hansestadt.

Als gelungene Völkerverständigung kann man hingegen Nick Golds Weltmusik-Crossoverprojekt „Afrocubism“ bezeichnen. Eigentlich hatte er schon vor 14 Jahren Musiker aus Kuba und Mali zusammenbringen wollen, alles war vorbeitet für das Einspielen eines Albums in Havanna, mit Ry Cooder hatte man einen namhaften Produzenten mit im Boot. Doch die Pässe der afrikanischen Musiker verschwanden auf Nimmerwiedersehen in der kubanischen Botschaft in Burkina Faso, die Plätze im Flieger blieben leer. Stattdessen spielte man das meistverkaufte Weltmusik-Album aller Zeiten „Buena Vista Social Club“ ein.
Nun endlich hat es geklappt und das Album des „afro-kubanische Social Club“, wie die NZZ die zwölfköpfige Afrocubism-Band nennt, ist eingespielt und seit dem achten Oktober im Handel erhältlich.

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