Zum Tod von Andre Williams: Der „Godfather Of Rap“ in drei Songs

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Andre Williams

In einem Alter, in dem die meisten KünstlerInnen nur noch mit dem Verwalten ihres musikalischen Vermächtnisses beschäftigt sind, erfand sich Andre Williams plötzlich neu. Der am 1. November 1936 in Alabama geborene Sänger und Produzent startete seine Karriere im R&B der 50er-Jahre. Schon damals war sein Stil auffallend anders: Williams sang nicht, er sprach. Er trug seine mit schlitzohrigen Reimen gespickten Texte in weichem Spoken-Word-Gesang vor. Mit Singles wie „Bacon Fat“ oder „Jail Bait“ war er ein Pionier des Rap.

In den 60er-Jahren arbeitete er zunächst als Produzent und Songwriter für Künstler wie Stevie Wonder oder The Contours. Mit „Shake A Tail Feather“ schrieb er einen Song für The Five Du-Tones, der später durch Interprationen von Ike & Tina Turner und Ray Charles zu einem absoluten R&B-Klassiker wurde. Ein Jahrzehnt später arbeitete er mit Funkadelic und Parliament zusammen. Doch dann, in den 80er-Jahren, kam ein tiefer Fall: Williams verbrachte die Dekade aufgrund einer starken Drogensucht in Armut, teilweise sogar in Obdachlosigkeit.

In den 90er-Jahren gelang ihm jedoch ein Neustart, der in seiner stilistischen Radikalität seinesgleichen sucht. Am 17. März 2019 ist Andre Williams im Alter von 82 Jahren gestorben. Wir haben die drei letzten Jahrzehnte seines Lebens in drei Songs porträtiert.

Garage-Punk: „Agile, Mobile And Hostile“ (1997)

Als Andre Williams im November 1997 sein Comeback-Album „Silky“ veröffentlichte, war er über 60 Jahre alt. Das schelmische Lachen, das den Opener „Agile, Mobile And Hostile“ eröffnet, klingt vom Leben gezeichnet. Die Musik, die folgt, ist jedoch so jugendlich wie Rock-Musik nur sein kann. Williams engagierte Mitglieder der Garage-Rock-Band The Gories als Backing-Band und das Ergebnis klingt dementsprechend roh. Ein kantiges, dreckiges Riff, das auch von Devo hätte stammen können. Ein zappeliges Schlagzeug und betrunken schlingernde Gitarren-Soli. Das alles wird von der extremen Lo-Fi-Produktion in eine konstante, warme Fuzz-Decke eingepackt. Der betont schäbige Garage-Sound lässt Williams zwischen Spoken Word und Gekreische wechselnde Stimme wie die eines Höllen-Propheten klingen. Ein furioses Comeback: Andre Williams war wieder da – gefährlicher als je zuvor.

Fuzz-R&B: „I‘m Not Worthy“ (2006)

Nach einem Country-Album, einer Tour mit den niederländischen Hard-Rockern Green Hornet und dem Bizarro-Rock-Album „The Black Godfather“ kehrte Williams 2006 mit „Aphrodisiac“ zu seinen Soul- und R&B-Wurzeln zurück. Doch selbst dieser Throwback war von seiner fuzzigen Neuerfindung vergiftet – auf beste Art und Weise. „I‘m Not Worthy“ wird von einem fies verzerrten Bass angetrieben, über den seine neue Band The Diplomats Of Solid Sound einen warmen Motown-Sound ausbreitet. Williams klingt wie eine Mischung aus George Clinton und Howling Wolf, in einem Moment butterweich, im nächsten bedrohlich knurrend.

Noir-Blues: „Meet Me At The Graveyard“ (2016)

Im Juni 2016 veröffentlichte Williams sein letztes Album. Er war im achten Jahrzehnt seines Lebens angekommen – und der Musik hört man das an. „I Wanna Go Back To Detroit City“ ist aber kein sanfter Abschied à la Leonard Cohens „You Want It Darker“, sondern ein letzter Kraftbeweis. In „Meet Me At The Graveyard“ türmt sich seine Musik zu großen Wogen auf, als wolle er sich ein letztes Mal zu voller Größe aufbäumen. Seine Stimme, mit dem Alter noch tiefer und finsterer geworden, klingt wie die eines Mannes, der dem Tod furchtlos ins Auge guckt. Ein morbider letzter Tanz, den Tom Waits nicht besser gekonnt hätte.

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