Ariel Pink – „Dedicated To Bobby Jameson“ (Album der Woche)

Dedicated To Bobby Jameson von Ariel PinkAriel Pink- „Dedicated To Bobby Jameson“ (Mexican Summer)

Der US-amerikanische Lo-Fi-Exzentriker und Hypnagogic-Pop-Pionier Ariel Pink hat auf seinem elften Langspieler eine neue Projektionsfläche für seine farbenfroh verpackten Beobachtungen menschlicher Abgründe gefunden: Bobby Jameson, eine der vielen tragischen Figuren der Pop-Musik.

Jameson veröffentlichte in den 1960er-Jahren drei mäßig erfolgreiche Alben und zog sich nach dreckigen Urheberrechts-Kriegen mit seinen Labels und großen Sucht-Problemen komplett aus der Musikbranche zurück. 2007 kehrte der bereits totgeglaubte Musiker mit einem eigenen Online-Blog und zahlreichen wütenden Youtube-Tiraden zurück in die Öffentlichkeit. Und das nicht ohne Grund: Seine Musik war über die Zeit zum Geheimtipp mutiert und wurde erfolgreich neu aufgelegt – ohne dass Jameson einen einzigen Cent daran verdiente. 2015 starb er als armer Mann. Ariel Marcus Rosenberg alias Ariel Pink bedient sich an dieser realen, menschlichen Tragödie und verwandelt sie auf „Dedicated To Bobby Jameson“ in melancholischen Lo-Fi-Pop.

Die Geschichte beginnt mit dem Ende: Im Eröffnungsstück „Time To Meet Your God“ zeigt er Bobby Jameson im Angesicht des Todes, untermalt mit hektisch stolpernden Synthesizer-Melodien. Dabei fühlt sich das Album nie wie eine sperrige Konzeptplatte an: Das Jameson’sche Drama ist nur eines von vielen Dramen, die sich durch „Dedicated To Bobby Jameson“ ziehen. Beispielhaft dafür steht die anschließende Vorab-Single „Feels Like Heaven“, in der Pink eine sehnsüchtige, in massenhaft Reverb getränkte Melodie melancholisch durch den Äther schweben lässt. Obwohl von himmlischen Gefühlen gesungen wird, fühlt sich das Ergebnis mehr nach unerfüllten Liebesversprechen an.

Auch der Titeltrack lässt mit seiner unterschwellig bedrohlichen Ray-Manzarek-Gedächtnis-Orgel Übles unter der glitzernden Fassade vermuten. Im nahezu zynischen „Time To Live“ wechseln sich eine Art hymnischer Depeche-Mode-Refrain mit einer brodelnden Noise-Hölle ab. Und „Another Weekend“ ist ein bitterer Anti-Hedonismus-Song, in dem Pink als Bobby Jameson mit gebrochener Lakonie den unzähligen verschwendeten Wochenenden nachtrauert.

Pink hat dabei gut aufgepasst, seine traurigen Beobachtungen stets in wunderschöne Pop-Songs einzupacken: „Bubblegum Dreams“ trifft die gleichen Synapsen wie der großartige Power-Pop der frühen Guided By Voices, und das bereits erwähnte zarte Weird-Folk-Meisterwerk „Another Weekend“ ist vermutlich sein bester Song seit „Round And Round“. Somit zeigt sich Ariel Pink auf „Dedicated To Bobby Jameson“ als postmoderner Psych-Poet, der gleichermaßen verzaubern und deprimieren kann.

Veröffentlichung: 15. September 2017
Label: Mexican Summer

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