Courtney Barnett & Kurt Vile – „Lotta Sea Lice“ (Rezension)

Cover des Albums Courtney Barnett & Kurt Vile – „Lotta Sea Lice“ (Marathon Artists / Matador / Milk! Recordings / Mom & Pop)

7,4

In Zeiten, in denen manchen Bands Großteile ihrer Alben per Dropbox-Ideenaustausch konzipieren (Grizzly Bear), kommt das kollaborative Album „Lotta Sea Lice“ der Australierin Courtney Barnett und dem US-Amerikaner Kurt Vile wie ein Anachronismus daher. Im Verlauf von 15 Monaten trafen sich die beiden immer wieder und komplettierten gegenseitige Songskizzen.

Die hauptsächlich analoge Arbeitsweise passt aber auch ganz gut zu den zwei sympathischen Gitarren-Pop-NostalgikerInnen. Während Vile sich gerne den folkig-bluesigen Song-Epen widmet, sicher dem ehemaligen Mitwirken bei The War On Drugs geschuldet, und sein Sound des Öfteren ins Psychedelische mäandert, ist Barnett diejenige, die das charmant-Schrammelige und trotzdem Harmonische großer Gitarrenbands der 90er à la Pavement in die Kooperation mitbringt.

Was die beiden Frisur-Zwillinge eint: ein besonderes Storyteller-Gen. Das erlaubt ihnen, scheinbar Alltäglich-Banales mit lakonischem Witz in große, tiefgründige Geschichten zu verwandeln. So beenden die beiden im Opener „Over Everything“ wie alte Freunde die jeweiligen Sätze des Anderen, besingen Alltagsängste, Schreibblockaden und Bluesriff-Eskapismus. Der Song war Initialzündung für das Projekt, Vile hatte ihn 2015 mit Barnett als Duett-Partnerin im Hinterkopf geschrieben.

Freundschaft ist der Treibstoff von „Lotta Sea Lice“. Thematisiert wird das auf „Continental Breakfast“, das mit Viles charakteristischem Fingerpicking beginnt. Ein seltener Moment, in dem der Songurheber klar scheint. Sonst verschmelzen die beiden Stile zu einem harmonischen Ganzen. Neben freundschaftlicher Verbundenheit ist auch die gegenseitige Wertschätzung zentrales Element des Albums. Vile attestierte 2015 Barnetts Song „Depreston“ den Instant-Classic-Status und Barnett half Viles „Peeping Tomboy“ vom Album „Smoke Ring For My Halo“ durch eine schwere Zeit.

Das führt die Platte auch in ihre „Cover meinen Song“-Rubrik, die mit insgesamt vier Interpretationen bei neun Stücken nicht gerade schmal geraten ist. Die sind glücklicherweise nicht so schnulzig, wie die Darbietungen in der berüchtigten Unterhaltungsshow und umfassen auch gelungene Überarbeitungen von Barnetts Partnerin Jen Cloher („Fear Is Like A Forest“) und der 90er-Jahre-Dream-Pop-Band Belly („Untogether“).

Erstaunlich ist, dass sich Courtney Barnett und Kurt Vile, die sich in ihrem bisherigen musikalischen Output eher als zurückhaltende Einzelgänger präsentiert haben, scheinbar mühelos auf einem gemeinsamen Level treffen. Eben diese Mühelosigkeit ist zugleich Stärke und Schwäche des Albums. In den starken Momenten laden Kurt und Courtney auf einen entspannten Nachmittag voller Tagträumereien auf einer sonnigen Veranda ein. In den weniger gelungenen Stücken steht die Jammigkeit der Songs dem eigentlichem Potential von Vile und Barnett im Wege. Als lockerer, musikalischer Hangout zweier Vorzeige-Außenseiter geplant, ist „Lotta Sea Lice“ auch genau das geworden. Aber auch nicht mehr.

Veröffentlichung: 13. Oktober 2017
Labels: Marathon Artists / Matador / Milk! Recordings / Mom & Pop

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