Beastie Boys – „Paul‘s Boutique“ wird 30

Cover des Albums „Paul‘s Boutique“ von Beastie Boys

Beastie Boys – „Paul‘s Boutique“

Musikalische 180-Grad-Wendungen standen für Beastie Boys von Anfang an auf der Tagesordnung. Kurz bevor Michael „Mike D“ Diamond, Adam „MCA“ Yauch und Adam „Ad-Rock“ Horowitz auf ihrem 1986er Debüt „Licensed To Ill“ HipHop und Rock-Gitarren verschmolzen, waren sie noch eine Punk-Band in der Tradition von Black Flag oder Minor Threat. Vom hyperaktiven Hardcore zu Rap-Rock in weniger als zwei Jahren. Man hätte eigentlich erwarten können, dass so eine Band nicht lange auf der Stelle treten wird.

Doch auf der Quantensprung, den Beastie Boys mit ihrem nächsten Album hinlegten, kam doch recht unerwartet. Blendet man den ironischen doppelten Boden aus, war „Licensed To Ill“ eine ziemlich stumpfe LP. Die drei Musiker machten sich mit Tracks wie „(You Gotta) Fight For Your Right (To Party)“ über inhaltsleere Sauflieder lustig – unzählige Frat Boys adaptierten den Song dennoch als unironische Partyhymne. Doch auf „Paul’s Boutique“ gab es keine Songs zum Mitgröhlen. Stattdessen schufen Mike D, MCA und Ad-Rock ein Sampling-Meisterwerk – das am 25. Juli 2019 30 Jahre alt wird.

Kaleidoskopartiges Sampling-Monster

Der von Rick Rubin produzierte Sound von „Licensed To Ill“ war mächtig und roh, aber eindimensional. Die bräsigen Rock-Riffs und donnernden Drums ließen nicht viel Raum für Subtilität. Für den Nachfolger suchten Beastie Boys neue Partner – und fand ein Duo namens Dust Brothers. Die kalifornischen Produzenten arbeiteten gerade an einem instrumentalen Album, zusammengestellt aus unzähligen Samples aus verschiedensten Genres. Als die drei MCs diesen musikalischen Flickenteppich zum ersten Mal hörten, waren sie begeistert – und überzeugten das Duo davon, sie darüber rappen zu lassen.

Auf dem Papier liest sich das wie pure Reizüberflutung: Drei hyperaktive MCs rappen über experimentelle Sampling-Collagen. „Paul’s Boutique“ ist tatsächlich gefüllt mit Momenten, die eigentlich nicht funktionieren sollten. In „Egg Man“ erklingen die atonalen Streicher aus dem „Psycho“-Soundtrack über eine Curtis-Mayfield-Bassline, während Mike D, MCA und Ad-Rock über ihr liebstes Hobby rappen: PassantInnen mit Eiern zu beschmeißen. Dust Brothers und Beastie Boys spielen mit musikalischen Legenden wie Kinder mit Superhelden-Figuren – doch anstatt Batman gegen Spiderman kämpfen zu lassen, jammen hier The Beatles mit Isaac Hayes, The Eagles mit Ramones.

Und dennoch funktioniert auf diesem Album so ziemlich alles. Die unzähligen musikalischen Zitate und Querverweise vermischen sich zu einem Popkultur-Strudel, der einen von der ersten Sekunde an nicht mehr loslässt. Der Groove und die Flows der MCs im Zentrum sind so „on point“ und mitreißend, dass die ständigen Texturwechsel um sie herum eine fast schon psychedelische Wirkung entfalten.

Dass dieses kaleidoskopartige Sampling-Monster von einem Album nicht so oft verkauft wurde wie der Vorgänger, liegt auf der Hand. Dafür war es umso einflussreicher: Für Sampledelia-Acts wie DJ Shadow oder The Avalanches wurde „Paul’s Boutique“ zur Bibel. Und auch zeitgenössische HipHop-Acts ließen sich von diesem Wahnsinn beeinflussen: Public Enemys Chuck D verriet einst in einem Interview das „dreckigste Geheimnis des HipHop“: dass das Album mit den besten Beats von drei weißen, jüdischen Jungs stammte.

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